Lehrer bevorzugen Kinder mit Migrationshintergrund bei der Notenvergabe

Das schlechte Abschneiden von Kindern mit Migrationshintergrund in der Pisa-Studie wurde bislang auf eine mögliche Diskriminierung durch Lehrer geschoben. Doch eine Studie kommt nun zu einem ganz gegenteiligen Ergebnis.

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                                          Lehrkräfte tendieren dazu, soziale Nachteile bei Bewertungen ausgleichen zu wollen (Symbolbild) Marijan Murat/dpa

Fast jeder dritte Schüler in Deutschland hat mittlerweile eine Einwanderungsgeschichte. Forscher der Universität Duisburg-Essen wollten deshalb herausfinden, ob es möglicherweise zu einer bei der Notenvergabe systematischen Benachteiligung kommt – Kinder mit Migrationshintergrund in deutschen Schulen also schlechtere Noten bekommen als ihre Mitschüler ohne Migrationshintergrund. Doch das Fazit der Studie überrascht.

Unsere Ergebnisse zeigen keine systematische Diskriminierung, sondern eher das Gegenteil. Kinder mit Migrationshintergrund oder aus sozial benachteiligten Haushalten werden oft besser bewertet“, erklärt Sarah Bredtmann aus der Forschergruppe im „Spiegel“. Die Forscher vermuten, dass die Lehrkräfte unbewusst versuchen, soziale Nachteile auszugleichen, indem sie Kinder mit Migrationshintergrund wohlwollender bewerten.

Anlass für die Studie waren wiederkehrende Befunde, wie etwa aus der Pisa-Studie, die zeigen, dass Kinder aus Einwandererfamilien im deutschen Schulsystem schlechter abschneiden und häufiger niedrigere Bildungsabschlüsse erreichen als ihre Mitschüler ohne Migrationsgeschichte. Diese Unterschiede werden häufig mit Diskriminierung durch Lehrkräfte in Verbindung gebracht.

Die Kinder führten für die Studie Tests in den Fächern Deutsch und Mathematik durch. Diese Tests wurden anonym bewertet, sodass die Lehrkräfte nicht wussten, welche Kinder die Aufgaben gelöst hatten. Die Ergebnisse dieser anonymen Tests wurden mit den regulären Noten verglichen, die die Kinder von ihren Lehrkräften für dieselben Leistungen bekommen hatten. Hierbei waren die Lehrkräfte über die Herkunft der Kinder informiert.

Dabei fanden die Forscher heraus, dass Lehrkräfte bei Kindern mit Migrationshintergrund manchmal nachsichtiger sind, indem sie ihre Bewertungsmaßstäbe also an die Hintergründe der Schüler anpassen.

Besser bewertet, aber trotzdem benachteiligt

Die Forscher vermuten, dass die Lehrer unbewusst versuchen könnten, mögliche Nachteile – wie Sprachprobleme oder schwierige Lebensumstände – zu berücksichtigen. Besonders ausgeprägt ist diese Tendenz zur besseren Bewertung in Klassen, in denen viele leistungsschwache oder sozial benachteiligte Kinder unterrichtet werden. Von dieser „positive Bewertungsneigung“ profitierten laut Studie besonders Schüler türkischer Herkunft.

Die Forscher betonen allerdings, dass diese gut gemeinte Praxis nicht unbedingt den Bildungserfolg fördert. „Wenn die besseren Noten auf niedrigeren Erwartungen basieren, könnten Kinder mit ihren Leistungen unter ihren Möglichkeiten bleiben – als eine Art sich selbst erfüllende Prophezeiung“, warnt Bredtmann weiter. Stattdessen fordern die Forscher, Lehrkräfte zu sensibilisieren und systemische Maßnahmen zu ergreifen, um soziale und strukturelle Nachteile wirklich zu reduzieren. Denn für die schlechten Noten der Kinder mit Migration seien „andere Faktoren verantwortlich als eine zu schlechte Bewertung durch die Lehrkräfte.“