Die Schriftstellerin Emine Sevgi Özdamar hat am Wochenende in Darmstadt den Georg-Büchner-Preis 2022 entgegengenommen.
Die in der Türkei geborene Schriftstellerin, Schauspielerin und Theaterregisseurin widmete ihre Dankesrede Georg Büchner, den sie für sich als eine Vorbild- und Bruderfigur darstellte. „Jeder hat im Himmel einen persönlichen Himmel, in dem nicht nur die Sterne, sondern auch die Menschen, die uns sehr berührt haben, ständig leuchten. Einer davon ist mein Bruder Georg Büchner“, sagte Özdamar bei der Verleihung.
„Meine große Sehnsucht, mein Bewusstsein zu erweitern, zu lesen, zu lernen, hatte mit Büchner zu tun“, sagte Özdamar über den Schriftsteller, mit dessen Werken sie als Schauspielschülerin Ende der Sechzigerjahre in Istanbul in Berührung gekommen sei.
Hybrides Leben, hybride Sprache
Die mit 50.000 Euro dotierte Auszeichnung zählt zu den wichtigsten literarischen Preisen im deutschsprachigen Raum. Özdamar ist die zwölfte Frau, die ausgezeichnet wird. Sie folgt als Preisträgerin dem österreichischen Schriftsteller Clemens J. Setz.
Die Literaturkritikerin Marie Schmidt hob in ihrer Laudatio den Facettenreichtum von Özdamars Sprache hervor. „Ich kenne in der Literatur deutscher Sprache kein vergleichbares Hybrid aus Dichtung, Prosa und Drama wie dieses, ihr Werk“, sagte sie im Staatstheater Darmstadt.
Özdamar lebt in der Türkei und in Berlin. Zu ihren bekanntesten Büchern gehört der Roman „Das Leben ist eine Karawanserei: hat zwei Türen, aus einer kam ich rein, aus der anderen ging ich raus“. Für einen Auszug daraus erhielt sie 1991 den Ingeborg-Bachmann-Preis. Ihr jüngstes Werk „Ein von Schatten begrenzter Raum“ erschien 2021 und war für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert.
Roth lobt Özdamar als „sprachmächtige, meisterhafte Erzählerin“
„Mit Emine Sevgi Özdamar zeichnet die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung eine herausragende Autorin aus, der die deutsche Sprache und Literatur neue Horizonte, Themen und einen hochpoetischen Sound verdankt“, hatte die Jury die diesjährige Entscheidung begründet. Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) lobte Özdamar als „sprachmächtige, meisterhafte Erzählerin“, die die deutsche Literatur um neue, andere und überraschende Perspektiven bereichert habe.
Seit 1951 vergibt die Akademie den Preis an Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die in deutscher Sprache schreiben. Die Preisträger müssen „durch ihre Arbeiten und Werke in besonderem Maße hervortreten“ und „an der Gestaltung des gegenwärtigen deutschen Kulturlebens wesentlichen Anteil haben“, heißt es in der Satzung. Der Preis wird vom Bund, dem Land Hessen und der Stadt Darmstadt finanziert.
Zu den bisherigen Preisträgern gehören Max Frisch (1958), Günter Grass (1965) und Heinrich Böll (1967) sowie zuletzt Rainald Goetz, Marcel Beyer, Jan Wagner, Terézia Mora, Lukas Bärfuss, Elke Erb und Clemens J. Setz. Namensgeber ist der Dramatiker und Revolutionär Georg Büchner („Woyzeck“). Er wurde 1813 im Großherzogtum Hessen geboren und starb 1837 in Zürich.
dpa/dtj