Bürgergeld: Ampelkoalition gibt beim Bürgergeld nach

Tilman Steffen - 
 Um die CDU-regierten Länder zur Zustimmung zu bewegen, modifiziert die Ampel den Plan fürs Bürgergeld. Heiz- oder Wohnkosten sollen nicht mehr unbegrenzt gezahlt werden.

Die Ampelkoalition hat den Gesetzentwurf für das Bürgergeld abgeändert. Damit wollen SPD, Grüne und FDP erreichen, dass die Bundesländer mit CDU-Regierungsbeteiligungen das Gesetz nicht im Bundesrat zu Fall bringen. Insbesondere die bisher vorgesehene volle Übernahme von Heizkosten wurde angepasst. Ebenso die Übernahme der Mietkosten – Bürgergeldempfänger sollen nicht ohne weiteres in teurere oder gar überteuerte Wohnungen umziehen können.  

Das Bürgergeld soll Hartz IV und die bisherige Grundsicherung ablösen. Ab Januar 2023 sollten Bürgerinnen und Bürger ohne oder mit nur geringem Einkommen bis zu 502 Euro monatlich erhalten können, etwa 50 Euro mehr als der Hartz-IV-Satz.    

In den ersten zwei Jahren sollten die Sozialbehörden auch darauf verzichten zu prüfen, ob die Kosten für Wohnung oder Heizung angemessen sind und ob die Antragsteller Vermögen haben, was sie erst aufbrauchen könnten. Bis zu 60.000 Euro Vermögen soll man behalten dürfen, in Mehrpersonenhaushalten entsprechend mehr. Bisher ist es so: Menschen, die schon länger Hartz IV beziehen, mussten zunächst Erspartes aufbrauchen. Wer aber während der Corona-Pandemie Grundsicherung beantragte, durfte Vermögen behalten. Auch die Wohnungsgröße wurde nicht geprüft. Das wollte die Koalition nun für alle künftigen Bürgergeldbezieher festschreiben.

Union fordert mehr Mitwirkungspflichten

CDU und CSU, aber auch der Landkreistag hatten die Pläne kritisiert. Ihr Argument: Das Bürgergeld fordere Arbeitslose nicht stark genug. Arbeiten zu gehen lohne sich nicht mehr, der gebotene Abstand zwischen Sozialleistung und Arbeitslohn sei zu gering. Leistungsbeziehende müssten stärker zur Mitwirkung verpflichtet werden, hieß es, die Karenzzeit von zwei Jahren sei zu lang und das Schonvermögen zu hoch. Ähnlich argumentierte die AfD.   

Mehrere unions-mitregierte Länder schrieben in einem ZEIT ONLINE vorliegenden Papier, nur Personen "mit einer messbaren Lebensleistung" sollten Bürgergeld erhalten. Auch solle die Bezugsdauer für bestimmte Personengruppen kürzer sein. Wer schon in der Corona-Zeit Grundsicherung erhalten hat, solle nicht weitere zwei Jahre Schonzeit bei Vermögen und Wohnungskosten erhalten. Der Vermögensfreibetrag solle wie bisher bei 10.000 Euro liegen. Heizkosten dürften auch während der Zwei-Jahre-Schonzeit nicht in voller Höhe übernommen werden, um "verschwenderischen Umgang mit Heizenergie" zu verhindern und "höhere Akzeptanz für die privilegierenden Regelungen in der breiten Bevölkerung zu erreichen". Wohnen in "überdurchschnittlich teuren Wohnungen" während der Karenzzeit sei nicht akzeptabel. 

Die Kritik kommt von den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, deren Stimmen im Bundesrat für das Gesetz entscheidend sein könnten.                   

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Der Landkreistag kritisierte, das neue Bürgergeld schütze Menschen, die keinen Schutz bräuchten. Gerade im Sektor der Geringverdiener werde Leistungsbezug dadurch auf Dauer attraktiv, auch wegen der damit verbundenen Vorteile wie etwa dem Sozialticket oder der Kita-Kostenbefreiuung, schrieb der Landkreistag in einer Stellungnahme für den Bundestag. Die Zahl der Empfänger werde sich deutlich steigern, auch weil in den ersten sechs Monaten die Antragsteller keinerlei Mitwirkungspflicht haben sollen. Migration werde sich verstärken, prognostizierte der Landkreistag. 

 

Bürgergeldbezieher sollen vor Umzug Zustimmung einholen

Vor allem beim Thema Heiz- und Wohnkosten kam die Koalition den Kritikern der Union entgegen. Vor Abschluss eines Mietvertrages müssen Bürgergeldbeziehende die Zustimmung der Behörde einholen, heißt es in einem ZEIT ONLINE vorliegenden Änderungsantrag für die finale Abstimmung im Bundestag am Donnerstag. So will man vermeiden, dass Bezieher in der Schonzeit in teurere Wohnungen umziehen. Darüber hinaus sollen die Heizkosten während der Karenzzeit nicht mehr in der anfallenden Höhe übernommen, sondern auf Angemessenheit geprüft werden. So will man "verschwenderische Heizverhalten" unterbinden. 

Die Fachpolitiker modifizierten ihre Pläne, obwohl sie davon eigentlich überzeugt sind. "Wir verstetigen ja nur die während Corona eingeführte Rechtslage", sagte der Obmann der SPD-Fraktion im Ausschuss für Arbeit und Soziales im Bundestag, Martin Rosemann, ZEIT ONLINE hinsichtlich der Karenzzeit oder des Schonvermögens. Die Kritik des Landkreistags, das Bürgergeld verführe zum bequemen Einrichten in sozialen Vergünstigungen, wies er zurück: "Über Sozialticket oder kostenlose Kitas entscheiden die Kommunen", sagte er. "Das Problem schafft nicht der Bund." 

Auch die Karenzzeit von zwei Jahren verteidigten Ampel-Politiker grundsätzlich. "Die Karenzzeit wurde implementiert insbesondere zugunsten von Selbstständigen, weil die ihr Vermögen für ihre Erwerbstätigkeit und als Alterssicherung brauchen", sagte der Grünen-Obmann im Arbeitsausschuss, Wolfgang Strengmann-Kuhn, ZEIT ONLINE. "Hinzu kommt, dass die Jobcenter dadurch stark entlastet werden."

 

FDP verweist auf Wohngeld

Mit Blick auf die Kritik, wonach sich Arbeiten nicht mehr lohne, wenn bürgergeldbeziehende Familien mehr Geld hätten als arbeitende Menschen, verwies der FDP-Obmann Jens Beeck auf die geplante Ausweitung des Wohngelds: Wer trotz zu wenig Geld für die Miete habe, könne Wohngeld beantragen.

Die Koalition will die Zahl der Wohngeldberechtigten von etwa 600.000 auf bis zu zwei Millionen deutlich ausweiten. Zur Prognose des Landkreistages, dass die Übernahme auch höherer Wohnkosten die Mieten allgemein hochtreiben könnte, sagte Beeck, der Wohnungsmarkt sei "regional angespannt. Dass es zu einer merkbaren Verschärfung komme, "halte ich für weit hergeholt".

Kritik hatte auch der Wegfall einiger bisheriger Sanktionen ausgelöst, die künftig allgemein milder ausfallen sollen. So darf Beziehenden das Geld laut einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nur um maximal 30 Prozent gekürzt werden.

 

Streit um Sanktionen

"Wir gehen von den 98 Prozent Leistungsempfängern aus, die kooperieren wollen", sagte der Grüne Strengmann-Kuhn ZEIT ONLINE. Der Bedarf an Sanktionen sei gar nicht so hoch. Die Unions-Länder verlangen hier jedoch, dass "beharrliche Verweigerer" auch stärker sanktioniert werden.   

Dass der Regelsatz für das Bürgergeld erhöht wird, ist unter allen Bundestagsfraktionen Konsens. Unterschiede gibt es bei der Höhe. So fordert die Linke 200 Euro mehr.     

Die Spannungen zwischen den Lagern werden jedoch verstärkt durch einen Streit um die Einladung des Rechnungshofes in die Anhörung des Arbeitsausschusses am Montag. Der Rechnungshof hatte den Bürgergeld-Plan als unverhältnismäßig kritisiert. Die AfD beantragte daraufhin, den Rechnungshof zur Anhörung einzuladen, um die Kritik den Abgeordneten direkt vorzutragen.

Die Union sprang darauf auf und beschwerte sich bei Bundestagspräsidentin Bärbel Bas. Die Koalition entgegnete, Bundesbehörden dürften nur in besonderen Ausnahmefällen eingeladen werden. Bisher steht der Rechnungshof nicht auf der Liste der eingeladenen Sachverständigen