Handel, aber auch Gewalt gegen Frauen und Migration: Draghi zu Gast in Ankara
Italiens Ministerpräsident Mario Draghi hat dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan die Rückkehr zur Istanbul-Konvention gegen die Gewalt gegen Frauen nahe gelegt.
„In unserem Gespräch haben wir auch die Wichtigkeit des Respekts der Menschenrechte besprochen“, sagte der parteilose Regierungschef bei seinem Besuch in Ankara am Dienstag. Er habe Erdoğan ermutigt, in die Istanbul-Konvention zurückzukehren, erklärte der 74-Jährige weiter. Die Türkei war großem inländischen und internationalem Protest zum Trotz 2021 aus dem Abkommen des Europarates ausgetreten.
Die Istanbul-Konvention war 2011 vom Europarat ausgearbeitet worden. Unterzeichnerstaaten verpflichten sich, Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen und dazu einen Rechtsrahmen zu schaffen.
Erdoğan hatte argumentiert, die Istanbul-Konvention widerspreche sozialen und familiären Werten der Türkei. Der Menschenrechtsorganisation Amnesty International zufolge haben sich die Rechte von Frauen und Mädchen in dem Land seitdem deutlich verschlechtert. Laut der Organisation „Wir werden Frauenmorde stoppen“ sind in diesem Jahr von Januar bis Ende Juni 167 Frauen von Männern in der Türkei getötet worden.
Draghi: Grenze bei Migration erreicht
Die beiden sprachen auch über weitere, beide Länder betreffende Themen. Italiens Regierungschef sieht die Grenze etwa bei der Aufnahme von Migranten in seinem Land als erreicht an. „Auch wir haben Limits, und jetzt sind wir da angekommen“, sagte er. Man müsse auch verstehen, dass ein Land nicht unbegrenzt offen sein könne. Der frühere Chef der Europäischen Zentralbank betonte, der Umgang mit Migranten müsse menschlich, angemessen und effektiv sein. Italien versuche, Migranten in seinen Gewässern zu retten.
Nach Angaben des italienischen Innenministeriums erreichten in diesem Jahr Stand Dienstag fast 29.400 Bootsmigranten die Küsten Italiens. Im selben Vorjahreszeitraum waren es etwas mehr als 21.700. Die Zahlen stiegen seit dem Frühjahr deutlich an.
„Freund und Partner“
Die Türkei hat sich in einem 2016 mit der EU geschlossenen Abkommen bereit erklärt, gegen unerlaubte Migration in die EU vorzugehen und illegal auf die Ägäis-Inseln gelangte Migranten zurückzunehmen. In der Türkei hat sich die Stimmung gegen die rund 3,7 syrischen Geflüchteten zuletzt verschlechtert. Erdoğan hatte etwa angekündigt, eine Million Syrer nach Nordsyrien umsiedeln zu wollen. Zugleich werde sich die Türkei aber stets für die Menschen aus dem Nachbarland einsetzen.
Draghi reiste am Dienstag mit einer Delegation mehrerer Minister in die Türkei, um dort verschiedene Abkommen zu Verteidigung und Handel zu unterzeichnen. Es war nach 2012 das dritte Treffen dieser Art. Die Türkei sei ein „Freund und Partner“, erklärte Draghi.
dpa/dtj