Türkei: Prozess gegen Kavala geht in die abschließende Phase
Der Prozess gegen den inhaftierten Kulturförderer und angeblichen Putschisten Osman Kavala in der Türkei geht in die Endphase.
Heute werden die Abschlussplädoyers der Verteidigung und der Angeklagten vorgetragen, sagte der Anwalt Kavalas, İlkan Koyuncu, der Deutschen Presse-Agentur. Ein Urteil werde zu Beginn nächster Woche erwartet.
Dem 64-Jährigen werden in dem Prozess Umsturzversuch im Zusammenhang mit den Gezi-Protesten von 2013 sowie „politische und militärische Spionage“ im Zusammenhang mit dem Putschversuch von 2016 vorgeworfen. Kavala weist die Vorwürfe strikt zurück. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hatte 2019 die Freilassung des Menschenrechtsaktivisten angeordnet und die Haft als politisch motiviert eingestuft. Wegen der Inhaftierung Kavalas hat der Europarat ein Ausschlussverfahren gegen die Türkei eingeleitet.
Lebenslange Haft gefordert
In dem sogenannten Gezi-Verfahren stehen neben Kavala auch weitere bekannte Angeklagte vor Gericht. Kavala ist als einziger von ihnen inhaftiert und sitzt seit rund viereinhalb Jahren in Untersuchungshaft. Verurteilt wurde er bisher noch nicht. Der Fall hatte 2021 zu einem diplomatischen Eklat geführt, nachdem zehn Botschafter in Ankara, darunter der deutsche, Kavalas Freilassung forderten. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan drohte mit der Ausweisung der Botschafter, setzte sie aber nicht um.
Die Staatsanwaltschaft fordert lebenslange Haft. Die Verteidigung plädiert auf Freispruch und hatte in der Vergangenheit immer wieder argumentiert, dass sich keine Beweise für die Anschuldigungen finden ließen.
Unterstützer, Menschenrechtler und Oppositionspolitiker unterstellen der islamisch-konservativen Regierung, mit der Inhaftierung Kavalas von Engagement abschrecken zu wollen, das nicht mit der Ideologie der regierenden Partei AKP übereinstimmt. Die Regierung argumentiert ihrerseits, die Justiz in der Türkei sei unabhängig. Erdoğan hatte Kavala in der Vergangenheit öffentlich mehrmals als Terroristen bezeichnet.
dpa/dtj