EXKLUSIV - Gündogan schreibt bewegenden Brief an Deutschland
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Liebe Fans,
mit einem lachenden und einem weinenden Auge werde ich zum Spiel gegen die Niederlande nach München anreisen. Auf der einen Seite freue ich mich darauf, mich noch einmal offiziell gemeinsam mit Manu, Thomas und Toni (wird nicht persönlich vor Ort sein, d. Red.) von euch Fans zu verabschieden sowie viele Mitspieler wiederzusehen, auf der anderen Seite wird mir dann auch nochmal bewusst werden, dass die DFB-Karriere nun endgültig vorbei ist.
Meine DFB-Karriere wird häufig als unglücklich oder unvollständig eingestuft. Ja, ich weiß, was viele Medien oder Experten damit meinen und ja, meine Jahre in der Nationalmannschaft waren sicherlich nicht so erfolgreich wie meine Karriere im Vereinsfußball.
Aber am Ende stehen trotzdem 82 Länderspiele für mein Heimatland – eine Zahl, die ich im Jugendalter niemals für möglich gehalten hätte – eine Zahl, auf die ich unfassbar stolz bin!
Mein stolzester Moment war sicherlich, als ich unsere Mannschaft zum Eröffnungsspiel der Heim-EM als Kapitän anführen durfte. Eine Mannschaft, mit der wir es gemeinsam geschafft haben, endlich wieder eine Euphorie im Land auszulösen nach so vielen schwierigen Jahren.
Man hat es gesehen: Als wir im März unsere Testspiele gewonnen hatten, eine kleine Euphorie aufkam, war plötzlich alles anders. Die Jungs haben wieder an sich geglaubt!
Ein Glaube, der nach all den negativen Erlebnissen so wichtig war – die Negativität war endlich verschwunden und das Selbstvertrauen war zurückgekehrt. Das Zusammenspiel von Spielern, Fans und Öffentlichkeit war wieder intakt und genau das war unsere größte und wichtigste Errungenschaft im vergangenen Sommer.
Ich selbst hatte das Gefühl, dass es an der Zeit ist, Platz für jüngere Spieler zu machen. Dass auch der auf Vereinsebene immer voller werdende Spielplan dabei eine große Rolle gespielt hat und sich Körper und Kopf nach etwas mehr Pausen gesehnt hatten, war ebenfalls ein Hauptfaktor für meine Entscheidung. Zur Heim-EM war ich mit über 60 absolvierten Pflichtspieleinsätzen angereist – in der aktuellen und kommenden Saison könnten es theoretisch noch mehr werden.
Selbstverständlich werde ich aber weiter alle DFB-Spiele verfolgen – als großer Fan einer unfassbar talentierten Truppe, die vom Gefühl her nun immer weiter zusammenwachsen wird.
Bei der nächsten WM mag es wieder zwei, drei Teams geben, die vielleicht auf dem Papier noch stärker sein werden, aber das war schon immer so. Mit dem zuletzt entwickelten Teamgeist wird auch in Amerika bis zum Titelgewinn aber alles möglich sein – da bin ich mir sicher.
Ich wünsche mir tief im Herzen, dass es mit unserer Nationalmannschaft so weitergeht wie zuletzt und sie auch in schwierigen gesellschaftlichen Zeiten für positive Ablenkung sorgen kann.
Wir sehen uns in München, alles Gute
Euer Ilkay