1. Filialleiter klagt über stehlende Migranten - auch Aiwanger schaltet sich ein

    Von Alexander Spöri
Dieser Beitrag erschien durch Kooperation mit Abendzeitung
Nach „Hilferuf“ auf FacebookFilialleiter klagt über stehlende Migranten - Aiwanger schaltet sich ein

 Nach einem missverstandenen Facebook-Post bekommt ein Edeka-Chef zahlreiche Hassnachrichten. Der Leiter von insgesamt sechs Filialen in der Oberpfalz klärt wenig später auf, sein „Hilferuf“ war nie rassistisch gemeint. Weitere Brisanz bringt dann jedoch eine Aussage des stellvertretenden Ministerpräsidenten Hubert Aiwanger.

Vor wenigen Tagen hat der Beitrag eines Chefs von sechs Edeka-Filialen in der Oberpfalz für großen Diskussionsbedarf gesorgt. Für Konstantin Gatzke war es ein „Hilferuf“ nach zahlreichen Diebstählen in seinen Geschäften, den die Politik hören sollte. Das Brisante: Der Geschäftsmann betonte in seinem mittlerweile gelöschten Post auf Facebook, dass Bewohner aus Asylheimen die Straftaten begangen haben sollen.

Nach „Hilferuf“ auf Facebook: Edeka-Chef erhält Hassnachrichten

Auf rechten Plattformen bekam Gatzke für seine Äußerungen großen Beifall. Von linken Gruppierungen hagelte es hingegen Kritik – bis hin zu hasserfüllten Nachrichten und Anfeindungen. Doch wie sich jetzt herausstellt, könnte alles auf einem Irrtum basieren. Denn eigentlich sei es dem Edeka-Betreiber immer um den Kampf gegen Diebstähle gegangen, wie er sagt – ganz gleich aus welchem Land die Täter stammen.

 

Inzwischen gibt Gatzke keine Interviews mehr – auch um seine Familie zu schützen. Trotzdem beteuert er im Gespräch mit der AZ nochmals, dass sein Facebook-Post auf keinen Fall rassistisch gemeint war. Gegen Ausländer habe der Mann aus Russland, der seit 33 Jahren in Deutschland lebt, überhaupt nichts. Lediglich die vielen Diebstähle in seinem Laden würden dem Geschäftsführer immer mehr zu schaffen machen.

Formulierung sorgt für Missverständnis

Wie es zu dem vermeintlichen Missverständnis kam? In seinem Beitrag schrieb Gatzke von „schwarz gekleideten Männern“ aus Asylwohnheimen in Regensburg. Diese hätten seinen Laden regelmäßig, ohne zu bezahlen verlassen. Das Wort „schwarz“ sei dabei von vielen Menschen fälschlicherweise auf die Hautfarbe der Kriminellen bezogen worden. Doch Gatzke sei es nur um die Kleidung der Täter und um das Problem mit den Diebstählen gegangen. Während für die „ehrliche Bevölkerung“ alles teurer werde, „ruinieren“ Straftäter die Wirtschaft, so sein Appell auf Facebook.

 

Edeka-Verband äußert sich

Auf AZ-Anfrage reagierte zu diesem Beitrag auch der Edeka-Verbund: „Als selbstständiger Unternehmer bezog Herr Gatzke zu Ladendiebstählen in seinem Markt Position. Er sprach damit nicht für den gesamten Edeka-Verbund, sondern ausschließlich für sich selbst.“ In Edeka-Filialen sei jeder Mensch, unabhängig von seiner Herkunft oder anderen Faktoren, willkommen.

Das sieht Gatzke genauso, solange die Einkäufer auch bezahlen. Nichtsdestotrotz hat er mit seinem „Hilferuf“ möglicherweise einen wunden Punkt getroffen. Dass zahlreiche Menschen mit Migrationshintergrund straffällig werden, bestätigen Statistiken der Regensburger Polizei.

Anzahl der Diebstähle nimmt zu - Behörden wollen gegen Straftäter vorgehen

Wie die Behörde der AZ mitteilt, stellten die Ermittler einen Anstieg von Diebstählen im gesamten Stadtgebiet fest – vor allem am Bahnhofsgebäude und im Donaueinkaufszentrum, in dem sich auch Gatzkes Laden befindet. Dort habe die Hälfte aller Tatverdächtigen einen tunesischen Migrationshintergrund. Trotzdem handele es sich laut der Polizei um eine „kleine Personengruppe, die für eine Vielzahl an Delikten verantwortlich zu sein scheint“.

Den mutmaßlichen Tätern wolle man bereits einen Riegel vorschieben – durch die „schnellstmögliche“ Bearbeitung der Strafverfahren gegen Wiederholungs- und Mehrfachtäter. Die zuständige Staatsanwaltschaft soll zügiger Anklage erheben und zu repressiven Maßnahmen, wie der Untersuchungshaft, greifen. Vorgegangen wird dabei auch gegen Diebe mit deutscher Staatsbürgerschaft, die für rund 25 Prozent der Straftaten in Gatzkes Edeka verantwortlich sind.

Ministerpräsident Aiwanger empört mit Migranten-Aussage

Zu den Diebstählen in Regensburg äußerte sich auch Bayerns stellvertretender Ministerpräsident Hubert Aiwanger. Der Chef der Freien Wähler schrieb kurz vor Heiligabend auf dem Kurzbotschaftendienst X: „Diebstahl durch Migranten sollte zur Abschiebung führen. Aber wir bekommen ja nicht mal Gewalttäter außer Landes.“ Deshalb brauche es Aiwanger zufolge eine Politik und Justiz, „die ohne linke Empörung die Interessen UNSERER Bevölkerung vertreten darf“.

Über diese Aussagen ist der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bayerischen Landtag empört. „Was es braucht, sind Strafverfolgungsbehörden mit ausreichend Personal. Was es sicher nicht braucht, ist ein stellvertretender Ministerpräsident Aiwanger, der selbst unterm Christbaum die Finger nicht von dumpfen und hetzerischen Tweets lassen kann“, sagt Johannes Becher zur AZ. Damit missbrauche Aiwanger die Vorkommnisse in der Oberpfalz für seine „Populismus-Agenda“.

Ähnlich sieht das Arif Haidary vom Bayerischen Flüchtlingsrat, der sich in der Kleinstpartei „Mut“ engagiert. Er bezeichnet Aiwangers Äußerungen als „rechte Stimmungsmache“, die zur Spaltung der Gesellschaft beitrage. „Solche Vorfälle sollten nicht für politische und rassistische Stimmungsmache gegen Geflüchtete genutzt werden“, sagt Haidary zur AZ. Die Unterbringung in Ankerzentren produziere „prekäre Lebensbedingungen“ und beuge Kriminalität nicht vor. In den Aufnahmestellen für Asylbewerber sei das Recht auf Selbstbestimmung unter anderem durch Arbeitsverbote massiv eingeschränkt.

„Diebstahl ist keine Frage des Passes“

Auch Bernd Ohlmann vom Handelsverband Bayern findet klare Worte: „Gatzke wird instrumentalisiert“, meint er zur AZ. Sein Edeka befinde sich neben Asylwohnheimen und werde deshalb verstärkt von Menschen mit Migrationshintergrund aufgesucht. Trotzdem sei Diebstahl keine „Frage des Passes“, wie Ohlmann betont. „Alle klauen wie die Raben – die Oma, genauso wie der Bürgergeldempfänger.“

Mehr als 30.000 Anzeigen werden laut Ohlmann pro Jahr wegen gestohlenen Artikeln in Deutschland gestellt. Meist käme dabei allerdings wenig heraus. Das sei ein „Millionenproblem“, wie Ohlmann sagt. Deshalb fordert seine Interessenvertretung schärfere Strafen. Als Beispiel nennt der Sprecher des Handelsverbands unter anderem einen zeitweiligen Führerscheinentzug.

Härtere Sanktionen kann sich auch Gatzke vorstellen. Der Edeka-Filialleiter steht mittlerweile bereits mit Ohlmann vom Handelsverband in Kontakt und will sich ebenso für Veränderungen einsetzen. Auf lange Sicht kann der Unternehmer die finanziellen Verluste durch Diebstähle nicht verkraften. Jeden Tag gingen laut Gatzke zwischen 300 und 400 Euro verloren.