Türkische Lira so billig wie nie

Gegenüber dem US-Dollar ist die türkische Währung auf ein Rekordtief gesackt. Investoren ziehen sich aus dem Land mit schwacher Wirtschaft und hoher Inflation zurück.

Türkische Notenbankchefin Hafize Gaye Erkan: Die Lira sackt trotz Zinserhöhungen weiter ab

 

Türkische Notenbankchefin Hafize Gaye Erkan: Die Lira sackt trotz Zinserhöhungen weiter ab. Foto: IMAGO/Xinhua

Düsseldorf, Frankfurt. Die türkische Lira ist auf ein bisheriges Allzeittief zum US-Dollar gesunken. Am Montag durchbrach die Währung zeitweise die psychologische Marke von 29,00 Lira je Dollar. Am Dienstag rutschte die Währung weiter ab auf bis zu 29,1 Lira je Dollar.

Währungsexperten werten das neue Tief als Ergebnis des fortgesetzten Wertverfalls der Währung eines Hochinflationslands, das zunehmend das Vertrauen der Investoren verliert. Seit Jahresanfang ist die türkische Lira gegenüber dem Dollar um 55 Prozent eingebrochen.

Den Großteil des Wertverlusts verbuchte die Lira in den ersten sechs Monaten dieses Jahres: Bis dahin versuchte Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan, die hohe Inflation mit niedrigen Zinsen zu bekämpfen, obwohl dies nur durch eine restriktive Geldpolitik möglich ist. Ende Juni notierte die Lira bereits 30 Prozent unter dem Niveau, auf dem sie zum Jahresanfang notierte.

Erdogans unorthodoxe Politik, die Wirtschaft durch sinkende Leitzinsen mit günstigerem Geld zu versorgen, trieb die Inflation in die Höhe: Lag die Teuerung im Juli 2021 noch bei etwa 19 Prozent, kletterte sie nach den Zinssenkungen auf ein Hoch von über 85 Prozent im Oktober 2022.

Mitte des Jahres läutete die neue Präsidentin der Notenbank, Hafize Gaye Erkan, eine Wende in der Zinspolitik ein, die das Tempo der Abwertung der Währung zumindest abbremste. Die türkische Zentralbank hob Ende August 2023 den Leitzins zum dritten Mal in Folge an auf 25 Prozent und hatte damit die Analysten überrascht. An dem Tag kletterte die Lira im Vergleich zum Dollar um sechs Prozent nach oben.

Doch diese Entwicklung war nicht nachhaltig. Die Lira sackte weiter ab, vor allem weil die Investoren kein nachhaltiges Vertrauen in die Zinspolitik wie auch in die Wirtschaft des Landes haben.

So zogen sich ausländische Investoren im Oktober den dritten Monat in Folge vom türkischen Aktienmarkt zurück und verkauften auch inländische Staatsanleihen. Nach Berechnungen der Commerzbank betrugen die Abflüsse aus Portfolios per saldo 689 Millionen US-Dollar.

Als Ausdruck des Zustands der schwachen Wirtschaft verweisen Devisenexperten auf die türkische Leistungsbilanz, die sich im Oktober überraschend deutlich verschlechtert hat: Um saisonale Effekte bereinigt, wies die Bilanz aus Importen und Exporten von Waren und Dienstleistungen im Oktober ein Defizit von 3,7 Milliarden US-Dollar auf, nach einem Minus von 0,54 Milliarden US-Dollar im September.

Für die Lira bleiben die Strategen der Commerzbank daher pessimistisch: Die höheren Zinsen führten nicht zu nachhaltigen Kapitalzuflüssen, vermutlich, weil die politische Glaubwürdigkeit noch fehle. Die Lira dürfte zum Dollar weiter nachgeben und sich in den nächsten Monaten der Marke von 30 Lira je Dollar annähern.

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