Sollte man Bettlern Geld geben? Experten der Caritas haben klare Empfehlung
Nach Kontrollen in Hamburg
Sollte ich Bettlern Geld geben?
Ein Obdachloser sitzt mit einem Becher in der Hand in der Hamburger Innenstadt und bettelt. Die Stadt will das Herumlungern unterbinden. (Quelle: IMAGO/Hanno Bode/imago
Ein Obdachloser sitzt mit einem Becher in der Hand in der Hamburger Innenstadt und bettelt. Die Stadt will das Herumlungern unterbinden. (Quelle: IMAGO/Hanno Bode/imago)
In Hamburg dürfen Bettler in der Innenstadt nicht sitzen oder gar "liegen und lagern", wenn sie um Geld bitten. Aber sollte man Menschen überhaupt etwas geben? Die Caritas hat einen Leitfaden.
In Hamburg geht die Polizei inzwischen häufiger gegen Bettler und Obdachlose in der Innenstadt vor. Laut dem Hamburger Senat sei Betteln an sich nicht verboten, aber das "Liegen und Lagern" und schon das "Sitzen außerhalb der dafür vorgesehenen Bereiche" sei unzulässig.
Doch sollte man Bettlern überhaupt Geld geben? Die Caritas hat dazu einige Tipps zusammengestellt. Die Wohlfahrtsorganisation der katholischen Kirche spricht sich klar dafür aus, Menschen auf der Straße monetär zu unterstützen. "Wer darauf angewiesen ist zu betteln, oder gar auf der Straße lebt, weiß am besten, was er oder sie gerade benötigt und wie das wenige Geld ausgeben wird, das ihm oder ihr zur Verfügung steht", heißt es in dem Leitfaden. "Es ist ein kleiner, aber entscheidender Raum für die eigene Freiheit und Würde. Und diesen Raum sollten wir den Menschen lassen."
Alkohol zum Überleben
Dass sich Menschen Alkohol von dem Geld kaufen würden, sei sicherlich möglich, räumt auch die Caritas ein. Wenn jemand wirklich süchtig sei, bräuchte dieser Mensch Alkohol oder Drogen zum Überleben. Ein kalter Entzug auf der Straße kann lebensbedrohlich sein.
Und wie viel sollte ich spenden? Eine Empfehlung gebe es nicht, so die Caritas. Doch man investiere in einen anderen Menschen, in Menschlichkeit und Solidarität. "Meistens gebe ich so viel, dass es mir nicht wehtut. Ich darf mich aber fragen, ob ich nicht großherziger sein könnte in Anbetracht all dessen, wofür ich selbst Geld ausgebe", so die Caritas.
Wer lieber kein Bargeld auf der Straße weiterreichen möchte, kann auch Vereinen oder Initiativen Geld spenden, die sich um obdachlose Menschen in der Stadt kümmern. Eine Übersicht der Spendenmöglichkeiten hat die Stadt Hamburg zusammengestellt.
Warum Sachspenden nicht immer helfen
Sachspenden weiterzureichen, ist nicht immer hilfreich. "Was aber, wenn es der zehnte Kaffee und das sechste Brötchen an diesem Tag ist, die der bettelnde Mensch geschenkt bekommt, und sie deshalb im Müll landen? Sachspenden sind nur dann okay, wenn die Person, der ich helfen will, ausdrücklich danach gefragt hat", empfiehlt die Caritas. "Das ist ähnlich wie mit Gutscheinen. Sie bevormunden bettelnde Menschen und sprechen ihnen das Recht ab, frei zu entscheiden."
Was aber tun, wenn man sich belästigt fühlt? Da zieht die Caritas eine klare Linie: Das Gespräch beenden und "Nein" sagen. Reicht das nicht, sollte man auf die Situation aufmerksam machen und sich Hilfe im öffentlichen Raum suchen. Aggressives Betteln kann als Nötigung ausgelegt werden und somit strafbar. "Stilles Betteln" allerdings ist es seit 1974 nicht mehr. Platzverweise lösen das Problem der enormen Armut nicht, sondern verdrängen es nur.
Organisierte Kriminalität?
Problematisch wird es, wenn Bettler Umstände vortäuschen, wie eine verlorene Geldbörse oder eine Beeinträchtigung wie Blindheit. Dies könne als Betrug gewertet werden. Tatsächlich gibt es inzwischen in vielen Städten in Deutschland Menschen, die offensichtlich körperlich beeinträchtigt auf der Straße leben – oder zumindest so tun. Organisierte Bettlerbanden gebe es nicht, betont laut der Caritas die Polizei.
Allerdings gibt es Menschen aus Südosteuropa, die nach Deutschland gekommen sind, in der Hoffnung, hier ein besseres Leben zu finden. Auch falsche Versprechungen in ihren Heimatländern befeuern dies. "Ihre starke Familien- und Gruppensolidarität führt dazu, dass sie sich gemeinsam auf die Reise machen, gemeinsam wohnen und gemeinsam betteln. Das heißt noch lange nicht, dass man es mit 'organisierten' Banden zu tun hat, und erst recht nicht, dass etwas Kriminelles daran wäre", so die Caritas.
Das ungute Gefühl, das einige verspüren, wenn sie Bettler sehen, ist der Caritas bekannt. Die Angst, selbst sozial abzusteigen und betteln zu müssen, schwingt bei den Begegnungen immer mit. "Sie fühlen sich unsicher und hilflos, schauen lieber weg, als sich der Realität zu stellen, sich mit der unangenehmen Kehrseite unserer Konsum- und Wohlstandsgesellschaft auseinanderzusetzen. Viele Geschichten zeugen davon, wie schnell ein 'Abstieg aus der Gesellschaft' erfolgen kann. Meist sind es mehrere Schicksalsschläge, die zusammenkommen: Krankheit, Jobverlust, Überschuldung, Trennung