Berliner Behörde widerspricht Polizei und bringt neue Brisanz in Somalier-Fall
Artikel von Niklas Golitschek-Focus
Beamte der Bundespolizei überwachen die Einreise am deutsch-polnischen Grenzübergang in Frankfurt/Oder. © dpa
Die Aufregung um die verschärften Grenzkontrollen, über Recht und Unrecht ist groß: Erst weist die Bundespolizei drei Somalier an der Grenze nach Polen zurück. Dann erklärt das Verwaltungsgericht Berlin den Vorgang für rechtswidrig. Deutschland muss das Trio zwar nicht einreisen lassen, aber nach dem Dublin-Verfahren prüfen, welches EU-Land für das Schutzersuchen zuständig ist. Doch statt einer geordneten Übernahme aus Polen tauchen die Somalier dann plötzlich in Berlin auf, was für Kritik und wilde Spekulationen sorgt.
Nach Recherchen von FOCUS online folgt der Aufenthalt in Berlin aber einem regulären Vorgang. Zwar bleibt unklar, wie die Somalier nach Deutschland gekommen sind. Doch ein Sprecher des Berliner Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) erklärt auf Anfrage: "Das Trio ist aus medizinischen Gründen nach Berlin verlegt worden." Auch weitere Aspekte hätten dafür gesprochen.
Somalier legal in Berlin: Widerspruch zu Akten der Sicherheitsbehörden
Eine solche Verlegung ist ein verwaltungsrechtlicher Vorgang, der entsprechend von den Behörden geprüft und umgesetzt wird. Zuvor hatten sich die drei Asylsuchenden in Brandenburg aufgehalten. Demnach sind sie jedoch nicht mit der Hilfe von Aktivisten nach Berlin gelangt und haben sich die Hauptstadt auch nicht selbst ausgesucht. Sie halten sich dort aktuell legal auf.
Die Darstellungen des Berliner LAF stehen in krassem Widerspruch zu den Akten der Sicherheitsbehörden, aus denen die "Bild" in der vergangenen Woche zitiert hat. Dort hieß es, dass die Somalier "eigenmächtig und mit vollzogener unerlaubter Einreise bis nach Berlin gefahren sind und dort erneut Asylanträge gestellt haben". Ein Sprecher des Berliner Innensenats sagte dem "Tagesspiegel" zudem: "Die betreffenden Personen haben sich in Berlin mit einem Asylbegehren gemeldet, das nun rechtsstaatlich geprüft wird."
Ungereimtheiten haben Recherchen von FOCUS online auch bei der gescheiterten geordneten Übergabe der drei Somalier an deutsche Behörden ergeben. Die Bundespolizei beschuldigt laut "Bild" die Anwältin des Trios, sie habe die Beamten abblitzen lassen. Pro Asyl wiederum behauptet, sie habe alles dafür gegeben. Von der Einreise der Somalier habe der Verein selbst erst aus den Medien erfahren.
Doch kein Kirchenasyl für Somalier
Auch Berichte über angebliches Kirchenasyl für die Somalier dementieren LAF und Evangelische Kirche Berlin auf Nachfrage. Das kommt laut einer Kirchensprecherin aktuell auch nicht in Frage, weil das Asylverfahren noch läuft – Kirchenasyl komme erst als letztes Mittel in Betracht, wenn nach einer Ablehnung alle juristischen Mittel ausgeschöpft seien und dennoch gewichtige humanitäre Gründe gegen eine Abschiebung sprächen. Das Verfahren ist mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geregelt.
Die Asylsuchenden sind im Berliner Ankunftszentrum gemeldet, werden dort sozial und medizinisch "engmaschig betreut", wie es heißt. Am Mittwoch haben sie sich nach Informationen von FOCUS online zuletzt dort für einen Termin aufgehalten. Ob sie dort aktuell übernachten und wohnen, will das LAF nicht sagen.
Die "Süddeutsche Zeitung" hatte jüngst berichtet, dass die Somalier anderweitig untergebracht werden. Nachdem die "Bild" ihren Aufenthaltsort veröffentlicht habe, hätten sie die Unterkunft aus Sorge vor Demonstrationen noch einmal wechseln müssen. Da das Ankunftszentrum keine geschlossene Einrichtung ist, müssen sich Asylsuchende hier nicht dauerhaft aufhalten. Die Evangelische Kirche will sich nicht dazu äußern, ob sie an der Unterbringung beteiligt ist.
Ist Somalierin minderjährig?
Dem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" zufolge kam die angebliche Minderjährigkeit der Somalierin auch gar nicht so überraschend, wie vielfach dargestellt. Die Bundespolizei hatte sie zwar bereits beim ersten Einreiseversuch als volljährig erfasst. Das soll zumindest aus einem handschriftlich verfassten Formular hervorgehen, in dem 2008 als Geburtsjahr eingetragen und das von einem Dolmetscher unterschrieben ist. Die Bundespolizei führte sie demnach dennoch als 2006 geboren und damit volljährig.
Offen bleibt, ob die beim dritten Einreiseversuch vorgelegte Geburtsurkunde gefälscht ist, wie von der Bundespolizei vermutet. Das Strafverfahren gegen Unbekannt wegen möglicher Beihilfe zum Einschleusen dürfte hier Klärung bringen. Die Anzeige hatte Heiko Teggatz, Chef der Bundespolizeigewerkschaft DPolG, gestellt und mehrfach den Verdacht auf den Verein Pro Asyl gelenkt.