Arbeitspflicht für Asylbewerber: Job-Verweigerer Hamid S. kassiert klare Abfuhr

Artikel von Göran Schattauer/ Focus-online

 

 

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                             Asylbewerber in der Erstaufnahmestelle im thüringischen Suhl © Göran Schattauer

Der Fall hat viele FOCUS-online-Leser bewegt und zum Teil heftige Reaktionen ausgelöst. Es geht um Hamid S.*, einen Asylbewerber aus dem Iran. Der 1975 geborene Mann lebt in einer Gemeinschaftsunterkunft im Landkreis Greiz (Thüringen) und lieferte sich einen erbitterten Rechtsstreit mit dem für ihn zuständigen Landratsamt. 

Hintergrund: Hamid S. verweigerte die Aufnahme einer verpflichtenden Arbeit, die das Amt angeordnet hatte. Mit dem Gang vor Gericht wollte er die sofortige Vollziehung der Maßnahme verhindern. In erster Instanz (Sozialgericht Altenburg) war er gescheitert – und hatte dagegen Beschwerde eingelegt.

Nach Informationen von FOCUS online kassierte der Asylbewerber auch in der zweiten Instanz eine - diesmal endgültige - Niederlage. 

Asylbewerber lehnt Job ab - und verliert Gerichtsstreit 

Das Thüringer Landessozialgericht in Erfurt hat demnach beschlossen, dass die Beschwerde des Iraners gegen die Altenburger Entscheidung „unbegründet“ ist. Die Ausführungen in dem angefochtenen erstinstanzlichen Beschluss seien „zutreffend“, befand der 8. Senat (Az.: L 8 AY 270/25 B ER). Der zweiseitige Beschluss vom 10. April 2025 liegt FOCUS online vor.

Damit hat Hamid S. den von ihm initiierten Rechtsstreit verloren, der Gang vor das Bundessozialgericht ist ausgeschlossen. 

Mit der juristischen Bewertung des Falls haben die Thüringer Gerichte Rechtssicherheit in einer wichtigen Frage hergestellt. Demnach müssen Asylbewerber die verpflichtende Arbeit unverzüglich antreten, nachdem die zuständige Behörde sie angeordnet hat. 

Hamid S.* wollte genau das verhindern. 

Gerichtsunterlagen, die FOCUS online vorliegen, zeigen, mit welch zweifelhaften Begründungen er sich vor der Arbeit in einem kommunalen Krankenhaus zu drücken versuchte. Die staatlichen Leistungen für Asylbewerber nahm er indes gern an: monatlich 245 Euro für Verpflegung, Bekleidung und Gesundheitspflege sowie 196 Euro für persönliche Bedürfnisse.

Ja zu Asyl-Leistungen - Nein zu Arbeitsanweisung

Konkret wehrte er sich gegen einen Bescheid, mit dem das Landratsamt ihn zu einer verpflichtenden Arbeit (Aufwandsentschädigung 80 Cent je Stunde) heranziehen wollte. 

Hamid S. sollte sich ab 18. November 2024 im Kreiskrankenhaus Greiz nützlich machen, maximal 25 Stunden pro Woche. Umschrieben war die Aufgabe mit „Hilfs- und Unterstützungsarbeiten in verschiedenen Bereichen des Krankenhauses“. Das Landratsamt ordnete die sofortige Vollziehung der Maßnahme an.

Dagegen legte Hamid S. Widerspruch ein und stellte Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Altenburg. 

Fall spielt im thüringischen Landkreis Greiz

Vertreten durch einen auf Sozialrecht spezialisierten Rechtsanwalt aus Niedersachsen, monierte der Iraner mehrere Punkte. So erklärte er, der Bescheid regele die wöchentliche Arbeitszeit nicht genau. Außerdem sei fraglich, ob sich die ihm zugedachte Arbeit wirklich von einem regulären Beschäftigungsverhältnis unterscheide. Zum Dienst im Krankenhaus erschien er nicht.

Daraufhin wies das Landratsamt den Mann in einem neuen Bescheid an, maximal 17 Stunden wöchentlich im „IT/EDV-Bereich“ des Kreiskrankenhauses zu arbeiten. Seine Aufgaben: unterstützende Mitarbeit bei der Programmierung des neuen Intranets, der Neuerarbeitung des Mitarbeiterportals sowie die Entwicklung eines internen Wiki-Programms. 

Damit ging die Behörde auf die Ausbildung und bisherige berufliche Tätigkeit des Asylbewerbers ein. Er hatte in seiner Heimat als Programmierer gearbeitet und spricht gut Englisch. Die konkreten Arbeitszeiten im Krankenhaus waren extra so gelegt worden, dass er zusätzlich an einem Integrationskurs teilnehmen konnte. Er hatte noch genügend Zeit für Pausen und den Weg zum Job.

Amt geht auf Situation des Iraners ein - vergeblich 

Das Landratsamt hielt es für absolut sinnvoll, dass der Asylsuchende schnell eine verpflichtende Arbeit aufnimmt. So könne er sich besser integrieren und „einen Beitrag für die Gesellschaft leisten“, heißt es in den Akten. Außerdem sei er besser vorbereitet, wenn er später einen dauerhaften Job auf dem regulären Arbeitsmarkt sucht. 

Doch auch gegen diesen Bescheid setzte sich Hamid S. zur Wehr. 

Laut einem Vermerk vom 31. Januar 2025 äußerte der Iraner gegenüber der Sozialbetreuung, dass ihm „die Atmosphäre im Krankenhaus Greiz nicht passe“ und er deshalb dort nicht arbeiten möchte. Sein Anwalt argumentierte, durch den Einsatz des Asylbewerbers würde die Arbeit eines regulären Mitarbeiters im IT-Bereich ersetzt. Dies entspreche nicht dem gesetzlichen Willen.

Das Landratsamt Greiz wies diese Darstellung zurück – und bekam zunächst in erster Instanz recht. 

Die 21. Kammer des Sozialgerichts Altenburg beschloss am 2. April 2025 ohne mündliche Verhandlung, dass der Antrag des Iraners auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt wird. Ebenfalls abgeschmettert wurde der Antrag des Asylbewerbers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe. 

Hamid S. kassiert Niederlagen in zwei Instanzen

In seinem Beschluss (Aktenzeichen S 21 AY 114/25 ER) äußerte sich das Sozialgericht Altenburg neben dem konkreten Fall auch zu grundsätzlichen Fragen

So befand die Kammer, dass die „sofortige Vollziehung“ einer Job-Maßnahme für Asylbewerber im öffentlichen Interesse sei. Solche Maßnahmen seien nämlich nur dann sinnvoll, „wenn die Arbeitsgelegenheiten so früh wie möglich begonnen und durchgeführt werden und nicht erst mit einer bei einem Widerspruchsverfahren ggf. monatelangen Verzögerung“, so das Gericht. 

Aus Sicht der Kammer steht fest, dass die Mitarbeit eines Asylbewerbers im kommunalen Krankenhaus „der Allgemeinheit“ dient und damit gemeinnützig ist: „Der Allgemeinheit dienen Arbeitsergebnisse von Arbeiten, die wettbewerbsneutral sind, nicht überwiegend erwerbswirtschaftlichen Interessen (Gewinnerzielung) oder den Interessen eines begrenzten Personenkreises dienen.“

Sozialgericht Altenburg: Job-Maßnahme war rechtens

Weiter heißt es in dem Beschluss: „Als gemeinnützig sind Arbeiten anzusehen, die unmittelbar den Interessen der Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet dienen.“ Zu den denkbaren Betätigungsfeldern zählten etwa

  • die Förderung von Landschafts- und Denkmalschutz,
  • Kunst und Kultur,
  • Wissenschaft, Bildung und Erziehung,
  • Altenpflege,
  • Religion, Sport und Entwicklungshilfe sowie
  • das öffentliche Gesundheitswesen einschließlich Pflege.

Im konkreten Fall sah das Gericht „keine durchgreifenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Zuweisungsbescheids“. Die Job-Anweisung durch das Landratsamt sei sowohl „formell als auch materiell“ nicht zu beanstanden. Eine „Unzumutbarkeit“ für den Iraner konnte das Gericht nicht erkennen.

So sah es nun auch das Thüringer Landessozialgericht in Erfurt, das den Fall abschließend bewertete. Praktische Auswirkungen hat die Entscheidung allerdings nicht mehr. Der Migrant geht mittlerweile einer sozialversicherungspflichtigen Arbeit nach – als Beschäftigter eines großen Logistikunternehmens.

*Name von der Redaktion aus Schutzgründen geändert