Kritik an Dobrindts verschärften Asyl-Kurs
Artikel von dw.com
Innenminister Dobrindt verschärft den Kurs in der Asylpolitik: Mehr Grenzpolizei, mehr Zurückweisungen - auch von Asylsuchenden. Doch sein Alleingang ruft scharfe Kritik bei Nachbarstaaten und der Opposition hervor.
Der neue Bundesinnenminister von der CSU: Alexander Dobrindt (Archivbild) © Kay Nietfeld/dpa/picture alliance
Polens Ministerpräsident Donald Tusk hat Bundeskanzler Friedrich Merz bei seinem Antrittsbesuch in Warschau aufgefordert, keine einseitigen Schritte bei Grenzzurückweisungen vorzunehmen. Polen haben massiv in den Schutz der EU-Außengrenzen investiert, aber nicht den der Binnengrenzen, in denen der Pendlerverkehr nicht behindert werden sollte, sagte Tusk.
Beim Antrittsbesuch von Kanzler Merz kritisiert Polens Premier Tusk einen möglichen Alleingang Deutschlands © Dominika Zarzycka/SOPA Images/ZUMA Press/picture alliance
"Ich verstehe das Bedürfnis nach verstärkten Grenzkontrollen. Aber das sollte vor allem für die Außengrenzen gelten." Tusk warnte mit Blick auf den kleinen Grenzverkehr: "Die schlimmste Lösung wäre, wenn wir jetzt plötzlich Kontrollen einführen. Wenn jemand Kontrollen einführt an der polnischen Grenze wird Polen auch seinerseits Kontrollen einführen."
Schweiz: Grenzverkehr muss weiter laufen
Kritik an den Zurückweisungen für Asylsuchende kam auch aus einem weiteren Nachbarland: der Schweiz. "Systematische Zurückweisungen an der Grenze verstoßen aus Sicht der Schweiz gegen geltendes Recht", erklärte Justiz- und Polizeiminister Beat Jans im Onlinedienst X. "Die Schweiz bedauert, dass Deutschland diese Maßnahmen ohne Absprache getroffen hat." Die Schweizer Behörden beobachten die Auswirkungen und prüfen gegebenenfalls Maßnahmen", fügte Jans hinzu.
Deutsch-schweizerische Grenze in Weil am Rhein und Basel - der Verkehr soll weiter flüssig laufen © Mandoga Media/picture alliance
Die Schweiz erwarte, dass der grenzüberschreitende Personen- und Warenverkehr unbeeinträchtigt bleibe. "Die Bürgerinnen und Bürger beider Länder sollen weiterhin ungehindert über die Grenze zur Arbeit pendeln können." Zudem sei er überzeugt davon, "dass die Schengen-Staaten die Herausforderungen der Migration nur gemeinsam bewältigen können", erklärte der Minister weiter. Er verwies darauf, dass es bei Migration "immer um Menschen geht, darunter vulnerable Personen, Frauen und Kinder".
Grüne fürchten Überlastung der Polizei
Kritik kommt erwartungsgemäß auch aus der Opposition. "Es wäre unverantwortlich, wenn Innenminister Dobrindt die Beamtinnen und Beamten an den Staatsgrenzen in den Rechtsbruch treibt", sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Pauschale Zurückweisungen von Asylgesuchen an den Grenzen seien europarechtswidrig und stellten die Zusammenarbeit mit den Nachbarländern grundsätzlich in Frage.
Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic © Frederic Kern/Geisler-Fotopress/picture alliance
Das nun angekündigte massive Hochfahren von Grenzkontrollen wird außerdem zu einer nie dagewesenen Überlastung der Bundespolizei führen." Die Bundespolizei sei nie dafür ausgelegt gewesen, 4000 Kilometer Grenze zu kontrollieren, sagte die Grünen-Politikerin. "Wenn die Bundespolizei massiv an die Grenze verlegt wird, reißen Merz und Dobrindt an anderer Stelle Sicherheitslücken auf. Denn sie ziehen die Kräfte von Kriminalitätsschwerpunkten wie Bahnhöfen, aber auch von Flughäfen ab."
SPD: Maßnahmen wie vereinbart
Töne der Einigkeit kommen derweil vom Koalitionspartner. Die SPD steht nach Angaben des Parlamentarischen Geschäftsführers der Bundestagsfraktion, Dirk Wiese, hinter der von Dobrindt angekündigten Asylpolitik. Die geplante Verstärkung der Bundespolizei sei "eine richtige Entscheidung", sagte Wiese bei Politico. Auch die Parteilinke stehe hinter der Migrationswende. "Wir als SPD agieren immer geschlossen."
Der Parlamentarischen Geschäftsführers der Bundestagsfraktion, Dirk Wiese, beschwört Einigkeit in der Koalition © Christophe Gateau/dpa/picture alliance
Auch der ehemalige Gesundheitsminister der SPD, Karl Lauterbach, unterstützt die neue Migrationspolitik: Dass Dobrindt reagiere, "das haben wir ja abgemacht", sagte Lauterbach dem Nachrichtenportal "The Pioneer". Das sei Teil der Vereinbarung im Koalitionsvertrag. "Wir müssen der Bevölkerung das Gefühl geben, wir haben Migration nötig, der Arbeitsmarkt braucht das, aber wir haben sie in der Kontrolle", sagte der SPD-Abgeordnete.
Dobrindt: "Ein Signal in die Welt und nach Europa"
Der neue Bundesinnenminister von der bayerischen CSU hatte an seinem ersten Tag im Amt beschlossen, mehr Polizisten an den deutschen Landgrenzen einzusetzen. Außerdem sollten künftig auch Asylsuchende an der Grenze zurückgewiesen werden können. Eine mündliche Weisung aus dem Jahr 2015, dies nicht zu tun, werde er nun schriftlich zurücknehmen, sagte Alexander Dobrindt bei einer Pressekonferenz.
Es gehe nicht darum, ab morgen alle zurückzuweisen, sondern darum, "dass wir die Zahlen reduzieren", erklärte er. Schwangere, Kinder und andere Angehörige vulnerabler Gruppen würden nicht zurückgewiesen, sagte Dobrindt. Ihm gehe es um ein "Signal in die Welt und nach Europa", dass sich "die Politik in Deutschland geändert hat".
Amtsübergabe im Innenministerium: Die ehemalige Ministerin Nancy Faeser (SPD) und der neue, Alexander Dobrindt (CSU) © Bernd Elmenthaler/IMAGO
Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD war vereinbart worden: "Wir werden in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn Zurückweisungen an den gemeinsamen Grenzen auch bei Asylgesuchen vornehmen." Dobrindt sagte nun: "Wir halten unsere Nachbarn in enger Abstimmung." Er selbst und Bundeskanzler Merz hätten dazu bereits in den vergangenen Tagen Gespräche geführt.
Im vergangenen Jahr stellten 229.751 Menschen erstmals in Deutschland einen Asylantrag. Das waren rund 100.000 Asyl-Erstanträge weniger als im Jahr zuvor. Zu den Hauptherkunftsländern gehören derzeit Syrien, Afghanistan und die Türkei.
pgr/pg (dpa, afp, rtr)