Nach Sturz des Assad-Regimes: Syrische Geflüchtete in der Türkei treten die Rückkehr an
Die syrischen Rebellen hatten Damaskus noch nicht erreicht, da brach ein junger Landarbeiter aus Cerkezköy im Nordwesten der Türkei schon auf in die Heimat. Die ersten 1400 Kilometer hatte Halit Resid am Sonntagmorgen geschafft und wartete am Grenzübergang Cilvegözü zwischen der Türkei und Syrien im Sonnenschein auf die Weiterfahrt über die Grenze.
„Wir laden jetzt gleich auf“, sagte der 24-Jährige mit einer Kopfbewegung zu einem Lastwagen, der die wartenden Reisenden und ihr Gepäck transportieren sollte. „Und dann geht es ab in die Heimat!“
„Millionen Syrer werden jetzt ehrenhaft heimkehren können“, sagte der türkische Außenminister Hakan Fidan am Nachmittag. Nach Ausbruch des syrischen Bürgerkrieges 2011 hatte die Türkei ihre Grenze zum südlichen Nachbarland für Flüchtlinge geöffnet (Bild oben von 2013 zeigt den Grenzübergang Cilvegözü). Millionen kamen, viele reisten weiter nach Europa, doch mehr als drei Millionen blieben in der Türkei, wo sie zunächst freundlich empfangen wurden. Mit den Jahren kippte die Stimmung; heute fordern die meisten Türken die Rückkehr der Syrer in ihre Heimat.
Es gibt dort genug zu tun“
Als Fidan sprach, warteten am Grenzübergang Cilvegözü bereits hunderte Syrer, wie Aufnahmen türkischer Nachrichtenagenturen zeigten. Das sei erst der Anfang, sagte der syrische Landarbeiter Resid: „Alle sagen, dass sie jetzt heimkehren werden, alle“, berichtete der 24-Jährige. „Alle meine Landsleute in Cerkezköy, alle meine Freunde am Telefon, alle Leute in den Chatgruppen – alle wollen jetzt heim.“
Seit sieben Jahren sei er nicht mehr in Syrien gewesen und habe seine Angehörigen nicht gesehen, berichtete der junge Mann aus Homs der türkischen Nachrichtenagentur IHA. „Gestern haben sie mich angerufen aus Homs und gesagt, dass die Opposition die Kontrolle über die Stadt hat und ich kommen kann.“ Da habe er sich sofort auf den Weg gemacht.
Von Cilvegözü aus wollte er nun versuchen, über Idlib und Afrin seine Heimatstadt zu erreichen. „Für mich wird es dort genug zu tun geben“, sagte er. Die elterliche Viehzucht sei vor Jahren zerbombt und zerstört worden, nun wolle er den Hof wieder aufbauen und Ziegen züchten.
„Endlich sind wir frei“
Zu den ersten Rückkehrern, die Cilvegözü erreichten, zählten Flüchtlinge, die sich in der benachbarten Provinz Hatay niedergelassen hatten. „Endlich sind wir frei und können zurückkehren“, sagte ein Mann namens Mahmud Esma der Agentur DHA. „Ich rufe vor allem die syrische Jugend auf, jetzt heimzukehren.“
Nun müssten sie die türkische Gastfreundschaft nicht weiter in Anspruch nehmen, sagte Abdulsafi Uhud, ein weiterer Rückkehrer. „Wir sind endlich frei und kehren heim.“ Sieben Jahre lang habe er in der Türkei gelebt und gearbeitet, sagte der 23-jährige Raid, der nach Damaskus wollte. Seine Familie habe nichts mehr in Syrien, sie müssten von null anfangen. „Für mich beginnt jetzt ein neues Leben.“
Die Türken waren gut zu uns, und sie werden uns fehlen.
Ein junger Mann in Adana
Vor der Grenzanlage schwenkten junge Syrer die Fahne der Opposition und jubelten den Fahrzeugen zu. „Endlich sind wir frei und können nach Syrien zurückkehren, ohne Angst haben zu müssen – Gott sei Dank“, sagte eine junge Frau in rotem Kopftuch.
„Die Türken werden uns fehlen“
„Wir sind auf dem Weg nach Aleppo“, sagte ein Mann im Alter von Anfang 30, der mit seiner Familie unterwegs und aus dem westtürkischen Bursa die ganze Nacht gefahren war. „Das ist schließlich unsere Heimat.“ Alle jungen Syrerinnen und Syrer müssten nun heimkehren, sagte der Mann. Ohne die Jugend könne der Wiederaufbau nicht gelingen.
Anderswo in der Türkei packten schon weitere Flüchtlinge die Koffer, wie sie türkischen Medien berichteten. „Wir haben alles vorbereitet, wir sind bereit“, sagte ein junger Mann in Adana der Agentur DHA. „Wir gehen jetzt heim.“ Glücklich sei er darüber, sagte der junge Mann, aber auch etwas wehmütig.
„Die Türken waren gut zu uns, und sie werden uns fehlen.“ Selbst diese Gasse werde ihm fehlen, fügte er hinzu und wies auf die belebte Straße hinter ihm: „Ich bin ja hier aufgewachsen, und es wird sicher nicht leicht, mich in Syrien einzugewöhnen.“ Mit der Zeit werde es ihm aber hoffentlich gelingen, sagte er, und dann hoffe er, Adana einst als Besucher wiederzusehen.