Mutmaßlicher Attentäter sollte abgeschoben werden

 Der Tatverdächtige des Messerangriffs in Solingen sollte Deutschland nach SPIEGEL-Informationen verlassen, lange vor dem Anschlag. Bulgarien war für sein Asylverfahren zuständig – doch die Abschiebung scheiterte. / dpa 
                                                              juhztfr.png

                                                                Der Tatverdächtige (hinten Mitte) wird von Beamten zu einem Fahrzeug gebracht

Issa al H., der in Solingen offenbar drei Menschen erstochen hat, sollte nach SPIEGEL-Informationen im vergangenen Jahr abgeschoben werden.

Nach SPIEGEL-Informationen reiste al H. Ende Dezember 2022 nach Deutschland und stellte kurz darauf einen Asylantrag bei der Bielefelder Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Nach den sogenannten Dublin-Regeln des europäischen Asylsystems wäre jedoch Bulgarien für ihn zuständig gewesen. Die deutschen Behörden stellten ein Übernahmeersuchen – die Bulgaren stimmten dem zu, der Syrer sollte dorthin überstellt werden.

Er war abgetaucht

Doch der Versuch einer Abschiebung scheiterte im Juni 2023. Die Behörden konnten al H. nicht in seiner Flüchtlingsunterkunft in einer ehemaligen Kaserne in Paderborn antreffen. Er war abgetaucht. Eine Ausschreibung zur Festnahme unterblieb wohl – offenbar, weil al H. als unauffällig galt und es ohnehin kaum ausreichend Abschiebehaftplätze gibt.

Im August lief die Überstellungsfrist ab, Deutschland war nun für seinen Fall zuständig. Die Bundesrepublik gewährte dem Syrer Ende 2023 subsidiären Schutz, den Geflüchtete aus dem Bürgerkriegsland häufig bekommen. Er wurde nach Solingen verteilt, wo er nach SPIEGEL-Informationen seit September 2023 lebte.

Dublin-Überstellungen scheitern in der Praxis häufig. Laut Statistik des Bamf wurden in diesem Jahr bis Juli gut 43.000 Ersuchen deutscher Behörden an andere EU-Staaten gestellt. In gut 25.000 Fällen liegt bereits eine Zustimmung des anderen Landes vor, vollzogen wurden aber nur gut 3500 Abschiebungen.

Nach SPIEGEL-Informationen wurde der 26-jährige Issa al H. in der syrischen Stadt Deir al-Sor geboren. Er ist sunnitischer Muslim. Den Sicherheitsbehörden war er demnach bislang nicht als islamistischer Extremist bekannt.

Auf einem Jubiläumsfest der Stadt Solingen im Bergischen Land soll der Mann Freitagabend willkürlich auf Umstehende eingestochen haben. Anschließend entkam er im Tumult und in der anfänglichen Panik.

Zwei Männer im Alter von 67 und 56 Jahren sowie eine 56 Jahre alte Frau starben. Sechs Menschen wurden schwer verletzt, vier davon lebensgefährlich. Am Samstag, kurz vor 23 Uhr, stellte sich al H. nach SPIEGEL-Informationen einer Polizeistreife.

Foto:

Christoph Reichwein / picture alliance / dpa