Das ist sicherlich umstritten»: Der deutsche Justizminister Marco Buschmann will Asylsuchenden die Hilfe kürzen

                         Geschichte von Susann Kreutzmann, Berlin/ NZZ  Neur Zrücher Zeitung

 

 

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Migranten vor dem Ankunftszentrum in Eisenhüttenstadt, nahe der polnischen Grenze. Sean Gallup / Getty Images Europe © Bereitgestellt von Neue Zürcher Zeitung Deutschland
 

Der Bundesjustizminister Marco Buschmann will für Asylsuchende, die aus anderen EU-Staaten nach Deutschland reisen, die Sozialleistungen kürzen. «Es gilt das Dublin-System, wonach der EU-Staat für einen Flüchtling zuständig ist, in dem dieser die EU betreten hat», sagte Buschmann der «Welt am Sonntag». Viele kämen aber trotzdem nach Deutschland. «Ich meine, dass wir die Sozialleistungen bei diesen Fällen auf die Finanzierung der Rückkehrkosten beschränken könnten», so Buschmann.

Die Asylbewerber hätten bereits im Ersteinreisestaat Anspruch auf Unterstützung. Sie könnten nicht erwarten, «von der Solidarität der Menschen hierzulande zu leben, wenn sie nicht zurückreisen wollen», sagte der liberale Minister. Das sei sicherlich umstritten, aber man müsse an diese Pull-Faktoren weiter ran, die derzeit zu viele Menschen auf irregulärem Wege nach Deutschland lockten.

Nach dem Dublin-Verfahren kann Deutschland Asylsuchende in die Erstaufnahmeländer abschieben. In der Praxis funktioniert das aber kaum. Migrationsexperten hatten das Dublin-System schon vor Jahren für gescheitert erklärt.

Vor allem Griechenland weigert sich, Migranten zurückzunehmen. Die Mittelmeerroute gilt immer noch als eine der am stärksten frequentierten Flüchtlingsrouten weltweit. 2023 wurden in Griechenland rund 49 000 Ankünfte registriert, die meisten davon (über 41 500) auf dem Seeweg. Ähnlich unkooperativ verhält sich Italien.

Quote der Rückführungen liegt bei 6 Prozent

Nach der Dublin-Verordnung sind die Länder verpflichtet, Fingerabdrücke von Asylsuchenden zu nehmen und diese in der Eurodac-Datenbank zu speichern. Ein grosser Teil der Migranten zieht nach Expertenschätzung aber unregistriert von Italien und Griechenland weiter, vor allem nach Deutschland.

Dabei gab es in Deutschland im Jahr 2022 rund 69 000 sogenannter Dublin-Fälle. Nur in etwa 6 Prozent gelang die Überstellung an die Erstaufnahmeländer, wie aus einer Anfrage der Linkspartei vom vergangenen Jahr hervorgeht. Somit würde der Vorschlag von Justizminister Buschmann auf einen erheblichen Prozentsatz der Asylbewerber zutreffen. Wie die praktische Umsetzung erfolgen soll, lässt der Minister offen.

Im vergangenen Jahr stellten mehr als 350 000 Migranten einen Asylantrag in Deutschland. Laut dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bedeutet das einen Anstieg von rund 51 Prozent im Vergleich zum Jahr 2022. Hauptherkunftsländer waren Syrien, die Türkei und Afghanistan.

Der Migrationsexperte Ruud Koopmans warnt die Bundesregierung davor, zu glauben, die Migration nach Europa lasse sich eindämmen. «Weniger Zuwanderung nach Europa wird es nicht geben. Es kann nur noch darum gehen, die Zuwanderung zu kontrollieren», sagte er dem «Handelsblatt».

Für reine Symbolpolitik hält Koopmans auch Massnahmen für eine leichtere Abschiebung von Straftätern, die der Bundestag vor kurzem beschlossen hatte. Die meisten Straftäter stammten aus Ländern, in die man gar nicht abschieben könne, wie Afghanistan, Syrien, dem Irak und Eritrea. «Jeder, der sich ein bisschen auskennt, weiss: Das wird so alles nicht kommen.»