Hamburg zeigt sich schon, was die Bezahlkarte für Flüchtlinge bringt
von: Welt
Als erstes Bundesland gab Hamburg Bezahlkarten für Asylsuchende aus. Die Ausgabe läuft gut, so die Behördenbilanz einen Monat nach Einführung. Doch ein Punkt sorgt bei Rot-Grün weiter für Uneinigkeit.
Einen Monat nach Einführung der Bezahlkarte für Asylsuchende läuft die Ausgabe laut Hamburger Behörden bisher gut – gleichzeitig zeigt sich im rot-grünen Regierungslager weiter Uneinigkeit über das Modell. Stand 13. März wurden 357 sogenannte SocialCards durch das Amt für Migration ausgegeben, wie die Sozialbehörde mitteilte. „Die Ausgabe der Karten läuft technisch reibungslos und wir stellen eine gute Akzeptanz bei den Nutzerinnen und Nutzern fest.“ Doch den Grünen sind weiter die Bargeld-Einschränkungen ein Dorn im Auge und auch beim SPD-Landesparteitag gab es dazu kürzlich kritische Stimmen.
Als erstes Bundesland hatte Hamburg Mitte Februar damit begonnen, Bezahlkarten an Asylsuchende auszugeben. Neu ankommenden Geflüchtete in den Erstaufnahmeeinrichtungen, denen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zustehen, erhalten die Prepaid-Karte.
„Die Bezahlkarte minimiert das Risiko des Missbrauchs öffentlicher Hilfen und verringert unerwünschte Anreize“, sagte der CDU-Fraktionsvorsitzende Dennis Thering. „Die Unterstützung für Asylsuchende soll das Überlebensminimum sichern und nicht für Überweisungen in die Herkunftsländer missbraucht werden.“ Der Oppositionsführer kritisierte, die Einführung der Bezahlkarte in Hamburg sei überschattet worden vom „Störfeuer der Grünen“. „In Hamburg wie im Bund torpedieren die Grünen den zwischen Bund und Ländern verabredeten Bargeldersatz für Flüchtlinge.“
Von den 185 Euro, die jeder Erwachsene pro Monat gutgeschrieben bekommt, können lediglich 50 Euro pro Monat an Geldautomaten abgehoben werden. Pro minderjährige Person im gleichen Haushalt können den Angaben zufolge zusätzlich 10 Euro monatlich abgehoben werden. In Hamburg ist die Bezahlkarte derzeit nur für die Asylbewerber vorgesehen, die in einer Erstaufnahmeeinrichtung leben. Ukraine-Flüchtlinge sind ausgenommen, da sie Anspruch auf Grundsicherung haben.
SPD und Grüne betonten, dass es für eine umfassende Bewertung noch zu früh sei. Aber die Ausgabe der SocialCard sei gut angelaufen, sagte der Vorsitzende der SPD-Fraktion Hamburg, Dirk Kienscherf. „Nun wird sich zeigen, wo sich das Pilotprojekt bewährt und wo noch Nachbesserungsbedarf besteht.“ Grundsätzlich baue die SocialCard Diskriminierungen ab, indem sie den Alltag vieler Menschen erleichtere, die jetzt nicht mehr jeden Monat eine Zahlstelle aufsuchen müssten. „Auch die Prozesse in der Hamburgischen Verwaltung werden durch sie verschlankt.“ Zugleich betonte Kienscherf: „Im Rahmen der Evaluation werden wir auch dem Auftrag des Landesparteitags nachkommen.“
Zum Hintergrund: Am 10. März auf dem SPD-Landesparteitag war wegen der Bargeld-Beschränkungen Kritik an der Politik des rot-grünen Senats laut geworden. Ein Initiativantrag der Jusos, in dem zunächst ein Stopp des in Hamburg laufenden Pilotprojekts gefordert worden war, wurde abgemildert. Letztlich stimmten die Delegierten einer Fassung zu, in dem die SPD-Senats und -Fraktionsmitglieder aufgefordert wurden, „sicherzustellen, dass Leistungen für Asylbewerber in Zukunft durch eine diskriminierungsfreie Bezahlkarte erbracht werden“.
Der Koalitionspartner, die Grünen, betonte: Wenn alle erforderlichen Einschätzungen vorliegen, werde man auf deren Grundlage über die Sinnhaftigkeit der mit der Karte verbundenen – und von den Grünen grundsätzlich abgelehnten – diskriminierenden Beschränkungen diskutieren.
„Es ist für uns von hoher Bedeutung, dass Leistungsbeziehende ohne Einschränkungen Teilhabe am Alltag ermöglicht wird“, sagte die Fraktionsvorsitzende Jennifer Jasberg. „Wenn ihnen von staatlicher Seite aber nun der Zugang zum Bargeld massiv beschränkt wird, sehen wir dies in Gefahr.“ Für die Grünen sei das ein Eingriff in die Freiheit. „Die zur Begründung der Bargeldbegrenzung stets angeführte Behauptung, Geflüchtete würden ihre hierzulande erhaltenen Leistungen oftmals ins Ausland schicken oder an Schlepper weitergeben, ist wissenschaftlich nicht nachweisbar.“
„Haben gleich etwas in der Hand“
Die Menschen seien erleichtert, dass sie mit der Bezahlkarte gleich „etwas in der Hand haben“, teilte die Sozialbehörde als erste Bilanz weiter mit. So müssten sich nicht erst einen Bescheid bekommen, mit dem sie an einem anderen Ort ihr Geld bekommen könnten. „Ein paar kleinere technische Fragen zur Anwendung der App kommen regelmäßig bei der Ausgabe vor, aber unterm Strich läuft der Prozess sehr gut.“ Veränderungen an der Ausgestaltung der Karte seien dementsprechend aktuell nicht vorgesehen.
14 von 16 Bundesländern hatten sich Ende Januar auf ein gemeinsames Vergabeverfahren zur Einführung einer Bezahlkarte für Asylbewerber geeinigt, das bis zum Sommer abgeschlossen sein soll. Die Erfahrungen aus dem Hamburger Pilotprojekt sollen in die Planungen einfließen.
Bundesweite Einführung noch offen
Trotz eines Beschlusses des Bundeskabinetts zu der Bezahlkarte ist weiter unklar, wann die bundesweite Regelung im Bundestag beschlossen wird. SPD und FDP zeigen mit den Fingern auf den dritten Koalitionspartner Grüne. „Es gibt de facto keine Blockade der Bezahlkarte, schließlich läuft ihre Einführung an einigen Orten bereits – so auch in Hamburg. Die Vorwürfe von FDP und SPD im Bund sind daher zurückzuweisen“, betonte Jasberg. „Was wir Grünen ablehnen, ist nicht die Bezahlkarte an sich, sondern weitreichende Änderungen der Bundesgesetze.“