Migration: Bundeskabinett beschließt Gesetzentwurf von Nancy Faeser zu verschärften Abschieberegeln

Artikel von Francesco Collini Der Spiegel

Die Bundesregierung hat sich nach Angaben aus Regierungskreisen auf schärfere Regelungen für Abschiebungen verständigt, trotz des Widerstands der Grünen. Das neue Gesetz soll verhindern, dass Rückführungen in letzter Sekunde scheitern.

Migration: Bundeskabinett beschließt Gesetzentwurf von Nancy Faeser zu verschärften Abschieberegeln

Migration: Bundeskabinett beschließt Gesetzentwurf von Nancy Faeser zu verschärften Abschieberegeln © Michael Kappeler / dpa

 

Die Bundesregierung will abgelehnte Asylbewerber ohne Aufenthaltsrecht rascher abschieben. Das Bundeskabinett billigte nach Angaben aus Regierungskreisen einen entsprechenden Gesetzentwurf, den Innenministerin Nancy Faeser (SPD) vorgelegt hatte. Darin ist unter anderem vorgesehen, die Höchstdauer des sogenannten Ausreisegewahrsams von derzeit 10 auf 28 Tage zu verlängern. Außerdem sind erweiterte Befugnisse von Behörden sowie ein härteres Vorgehen gegen Schleuser geplant. Mit dem Gesetz will die Bundesregierung vor allem die Zahl der kurzfristig gescheiterten Abschiebungen reduzieren. Es muss noch vom Bundestag verabschiedet werden.

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Sowohl Kanzler Olaf Scholz als auch Faeser hatten betont, dass man die Abschiebungen beschleunigen müsse. Scholz hatte sich zuletzt im Gespräch mit dem SPIEGEL für eine härtere Abschiebungspolitik ausgesprochen. Er hatte gesagt: »Wir müssen endlich im großen Stil diejenigen abschieben, die kein Recht haben, in Deutschland zu bleiben.« Wer keine Bleibeperspektive in Deutschland habe, »weil er sich nicht auf Schutzgründe berufen kann, muss zurückgehen«, so der Bundeskanzler. Die Aussagen hatten selbst innerhalb der SPD eine heftige Debatte ausgelöst.

Innenministerium geht von 50.000 ausreisepflichtigen Menschen aus

Die Maßnahmen gehören zu einem Migrationspaket, auf das man sich innerhalb der Ampelkoalition geeinigt hatte. Es umfasst auch schnellere Arbeitsmöglichkeiten für Geflüchtete.

Das Bundesinnenministerium schätzt die Zahl der ausreisepflichtigen Menschen auf rund 50.000. Faeser hatte darauf verwiesen, dass in diesem Jahr die Zahl der Abschiebungen rund 27 Prozent über der des Vorjahreszeitraums liege. Innerhalb der Koalition gibt es teilweise Kritik an der Gesetzesverschärfung, auch innerhalb der SPD selbst. Der Beschluss ist jedoch vor allem für die Grünen ein harter Schlag, die in der Asyl- und Migrationspolitik eine weniger strenge Position vertreten. Sie kritisieren teilweise zu weitgehende Grundrechtsbeschränkungen. Die FDP hatte dagegen längst eine Verschärfung gefordert.

Kritik gibt es aber auch teilweise in den Bundesländern, die für Abschiebungen zuständig sind. Sie und die Opposition bemängeln, dass Rückführungen nur möglich sind, wenn die Herkunftsländer die Rücknahme der Menschen auch akzeptieren. Dies sei aber oft nicht der Fall. Deshalb verhandelt der Sonderbeauftragte der Bundesregierung, Joachim Stamp, seit Monaten über solche Abkommen.

Pro Asyl kritisiert Verschärfung als »rechtsstaatlich fragwürdig«

Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl hatte die Pläne der Ampel für mehr Abschiebungen als »rechtsstaatlich fragwürdige Verschärfungen« kritisiert. Faesers Gesetzentwurf sehe »schwerwiegende Eingriffe in Grundrechte ohne jede Verhältnismäßigkeit« vor, erklärte die Organisation noch vor der Entscheidung des Bundeskabinetts. Das Vorhaben werde »dem Rechtspopulismus weiter Vorschub leisten« und Kommunen nicht wie behauptet entlasten.

»Verschärfte Abschiebungsregeln werden kaum dazu führen, dass nennenswert mehr Menschen abgeschoben werden«, erklärte die rechtspolitische Sprecherin von Pro Asyl, Wiebke Judith. »Aber sie führen zu noch mehr Härte und Verletzungen der Grundrechte.« Schon jetzt sei »jede zweite Abschiebungshaft rechtswidrig, schon jetzt werden Familien getrennt und Kinder nachts aus dem Schlaf gerissen«.

Die von Innenministerin Faeser vorgeschlagenen Maßnahmen griffen unter anderem in die Grundgesetzrechte auf Freiheit, Unverletzlichkeit der Wohnung sowie informelle Selbstbestimmung und Privatsphäre ein, erklärte Pro Asyl. Die Organisation forderte »alle demokratischen Parteien im Bundestag auf, Ziel und Mittel des Abschiebegesetzes zu hinterfragen«.

Zudem kritisierte Pro Asyl die öffentliche Debatte über ausreisepflichtige Menschen als »oft verzerrt«. Die Organisation bezweifelte, dass das Abschiebe-Gesetz zu einer Entlastung der Kommunen bei der Aufnahme von Flüchtlingen führen werde. Denn derzeit bekämen 71 Prozent der Menschen, die einen Asylantrag stellten, Schutz in der Bundesrepublik. Dies beweise, »dass der allergrößte Teil der Menschen, die nach Deutschland kommen und Schutz suchen, sehr gute Asylgründe hat. Deshalb sollte der Fokus auf ihrer Aufnahme und nicht auf Abschiebungen liegen«.