Zehntausende Armenier flüchten aus Berg-Karabach
Eriwan. Nach der Kapitulation der armenischen Separatisten in Berg-Karabach sind mehr als 65 Prozent der Bevölkerung nach Armenien geflohen. Aserbaidschan verhaftet derweil einen Ex-Separatistenchef.
Bis Donnerstagabend seien 78.300 Menschen - mehr als 65 Prozent der Bevölkerung Berg-Karabachs - in Armenien angekommen, teilten dortige Behördenvertreter mit. Der Zustrom halte unvermindert an.
Aserbaidschan hatte mit einer Blitzoffensive die vollständige Kontrolle über die Kaukasusregion übernommen. Die autoritäre Regierung Aserbaidschans hatte von den ethnisch armenischen Truppen in Berg-Karabach verlangt, die Waffen niederzulegen und die Separatistenbewegung aufzulösen. Berg-Karabach wurde rund 30 Jahre lang von separatistischen Behörden verwaltet.
Die Region gehört völkerrechtlich zu Aserbaidschan, verwaltete sich aber seit dem Ende eines Separatistenkrieges 1994 selbst und wurde von Armenien unterstützt. Vergangene Woche zwangen aserbaidschanische Truppen die Separatisten in einer Blitzoffensive zur Aufgabe. Der separatistischen Präsident der Region, Samwel Schachramanjan, verwies auf ein Dekret vom 20. September, wonach Aserbaidschan den Einwohnern Berg-Karabachs den freien, freiwilligen und ungehinderten Abzug nach Armenien gestatte. Am Donnerstag kündigte Schachramanjans Regierung an, sich aufzulösen.
Einige der Flüchtenden sagten, sie sähen für sich keine Zukunft mehr in Berg-Karabach. „Ich habe Stepanakert mit der leisen Hoffnung verlassen, dass sich vielleicht etwas ändert und ich bald zurückkehren kann, und diese Hoffnung ist zerstört, nachdem ich von der Auflösung unserer Regierung gelesen habe“, sagte die 21-jährige Studentin Ani Abaghjan der Nachrichtenagentur AP. Die 30 Jahre alte Rechtsanwältin Anusch Schahramanjan sagte, dass „wir niemals in unsere Heimat zurückkehren können, wenn wir keine unabhängige Regierung haben“.
Aserbaidschan verhaftet Ex-Regierungschef der Separatisten
Unterdessen wurde bekannt, dass die aserbaidschanischen Behörden den früheren Chef der separatistischen Regierung in Berg-Karabach zur Verantwortung ziehen wollen. Sie legten Ruben Wardanjan am Donnerstag Terrorfinanzierung, die Schaffung illegaler bewaffneter Einheiten und einen illegalen Grenzübertritt zur Last.
Vertreter der aserbaidschanischen Behörden sagten, der Milliardär, der in Russland zu Reichtum kam, sei festgenommen worden, als er wie Tausende andere ethnische Armenier versucht habe, von Berg-Karabach aus nach Armenien zu gelangen. Er wurde in die aserbaidschanische Hauptstadt Baku gebracht. Seine Verhaftung schien ein Signal zu sein, dass Aserbaidschan die im Zuge der Blitzoffensive errungene Kontrolle über die Kaukasusregion rasch konsolidieren will. Wardanjan war im Jahr 2022 nach Berg-Karabach gezogen. Er war mehrere Monate lang Regierungschef, dann trat er in diesem Jahr zurück.