Europa-Programm der Linken: Offene Grenzen und Sonnencreme für alle

Artikel von Daniel Friedric

 

ähren statt Frontex!“ – das verlangt die Linke in ihrem Programm zur Europawahl. Sie will den europäischen Grenzschutz abschaffen und fordert EU-Gelder für die Seenotrettung von Flüchtlingen.

Die Linken-Spitze: Martin Schirdewan und Janine Wissler.

Die Linken-Spitze: Martin Schirdewan und Janine Wissler. © Foto: dpa/Britta Pedersen

 

 

Mit einer Willkommenspolitik für Flüchtlinge und einer rigiden Klimapolitik wollen die Linken bei der Europawahl im Juni 2024 für sich werben. Der Entwurf zum Wahlprogramm, den die Partei am Montag in Berlin vorstellte, spiegelt in weiten Teilen die politischen Visionen der Klimaaktivistin und Seenotretterin Carola Rackete, die als Parteilose Spitzenkandidatin der Linken zur Europawahl werden soll.

Mit dem Europa-Programm wird der Graben zum migrationskritischen Flügel um Ex-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht abermals tiefer. Das Wahlprogramm in einer Schnellanalyse.

Asylpolitik

„Das Sterben stoppen – die europäischen Grenzen müssen entmilitarisiert werden!“, verlangen die Linken. „Drohneneinsätze, Stacheldraht, Pushbacks, Mauern und andere Maßnahmen zur Abschottung gegen Geflüchtete lehnen wir ab“, heißt es in dem Programm. Unter dem Schlagwort „Seebrücken und Fähren statt Frontex“ fordern sie eine Umwandlung der europäischen Grenzschutzschutzbehörde Frontex „in eine europäische Rettungsmission.“

Seenotrettung sei nicht nur legal, sondern nach internationalem Seerecht Pflicht. Es brauche eine „EU-finanzierte Seenotrettungsmission, um das Massensterben auf dem Mittelmeer zu beenden und die Ausschiffung in einen sicheren Hafen in der EU zu gewährleisten“.

Ferner fordern die Linken „sichere Fluchtwege für Geflüchtete in die EU, humanitäre Visa zur legalen Einreise und/oder die Aufhebung des Visumszwangs für Schutzsuchende“. Im Programm heißt es: „Armuts-, Umwelt- und Klimaflüchtlinge müssen verbindliche Flüchtlingsrechte bekommen. Niemand flieht freiwillig!“

Das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) lehnen die Linken ab. Es handele sich dabei um eine „moralische Bankrotterklärung und ein Einknicken vor den rechten Kräften in Europa“. Der Familiennachzug müsse „uneingeschränkt gewährleistet werden, Abschiebungen, insbesondere in Krieg, Verfolgung und Elend oder als Form der Doppelbestrafung lehnen wir grundsätzlich ab“.

Klimapolitik

Das reichste eine Prozent der Bevölkerung in Deutschland stoße 35-mal so viel CO₂ aus „wie die Ärmsten“, schreiben die Linken ohne diese These zu belegen: „800 Superreiche in Deutschland haben sogar einen CO₂-Ausstoß, der 1 000-mal so hoch ist wie der Deutschen im Durchschnitt.“ Rechte Politiker versuchten „Stimmung gegen Klimaschutz zu machen“.

Für Flüssiggas (LNG) und Erdgas dürfe keine neue, dauerhafte Infrastruktur geschaffen werden. Die deutschen Linken wollen die diversen atomfreundlichen Staaten in Europa wie Frankreich zu einem „europaweiten Ausstieg aus der Atomenergie“ bewegen. Die deutsch-russische Gas-Pipeline Nord Stream bleibt in dem 85-seitigen Wahlprogramm unerwähnt.

Die Linken sehen beim Klimaschutz vor allem Deutschland in der Pflicht, schließlich hätten die „früh industrialisierten Staaten haben eine besondere Verantwortung für den klimaneutralen Umbau.“ Man unterstütze deshalb die Forderung nach einem globalen Schuldenschnitt für Länder des globalen Südens.

Öffentliche (Sprudel-)Wasserspender wie in Rom, Sonnencremespender wie in Holland und flächendeckend kostenlose öffentliche Toiletten.

Forderung aus dem Europa-Wahlprogramm der Linken

„In Zukunft sind viel weniger Autos nötig“, sind die Linken überzeugt: „Wir wollen die Innenstädte autofrei machen.“ Die meisten Autos seien „viel zu groß und schwer: Wir fordern eine Begrenzung des Autogewichts von Neuwagen auf zwei Tonnen.“ Für Familien mit mehreren Kindern oder andere spezifische Bedarfe, wie Transporter und Campingfahrzeuge solle es „Ausnahme geben“.

Den Flugverkehr wollen die Linken einschränken. „Das Luxusspektakel der Reichen beenden wir: Privatflugzeuge und Mega-Yachten wollen wir in der gesamten EU verbieten.“ Flugtaxis sollen ebenfalls EU-weit verboten werden. Sie fordern: „Kein Weltraumspaß für die Superreichen auf Kosten unseres Klimas! Wir wollen private Raumfahrt und Weltraumtourismus vom Boden der EU aus verbieten.“ Während die Linke generell mit Subventionen sympathisiert, fordert sie „die Stilllegung defizitärer Regionalflughäfen“. Beim Namen nennt sie die angesprochenen Flughäfen jedoch nicht.

„Private motorisierte Superjachten mit mehr als 60 Metern Länge wollen wir EU-weit verbieten“, heißt es ferner. Zu einem Ruf nach Verbot von Kreuzfahrtschiffen rang sich die Linke nicht durch, so heißt es nunmehr im Programm, die Emissionen von Kreuzfahrtschiffen seien „zu hoch – regionaler Tourismus muss gestärkt und Kreuzfahrten müssen reduziert werden“.

Soziales

Eine Vier-Tage-Woche sei „genug“, man schlage eine Verkürzung auf etwa 30 Arbeitsstunden pro Woche vor. „Armut abschaffen“ verlangen die Linken, sie wollen dazu den EU-Haushalt verdoppeln. Die Gelder für die europäische Grenz- und Küstenwache Frontex sollen gestrichen werden. Die EU müsse „eigene Schulden aufnehmen können“.

Geflüchtete benötigten eine Willkommenskultur, dazu solle es einen EU-weiten Fonds geben, „der Geflüchteten Bewegungsfreiheit sichert und aufnahmebereiten Kommunen und solidarischen Städten hilft“. Die Linke fordern: „Öffentliche (Sprudel-)Wasserspender wie in Rom, Sonnencremespender wie in Holland und flächendeckend kostenlose öffentliche Toiletten.“

Europaweit sollen „Gesundheitsversorgungsstellen auf Rastplätzen“ eingerichtet werden. Sie sollen vor allem LKW-Fahrer:innen und Bus-Fahrer:innen gesundheitliche Beratung und Behandlung von berufsspezifischen Beschwerden anbieten.

Verkehr und Wohnen

„Der ÖPNV ist gut ausgebaut und kostenfrei in der ganzen EU“, lautet die Vision der Linken. Sie wollen „Airbnb und Co. den Boden entziehen“. Überall in Europa werde Wohnraum für Ferienunterkünfte „missbraucht. Das wollen wir verhindern. Für nicht kommerziellen Wohnungstausch von privat zu privat wollen wir eine faire Alternative schaffen (‘Fairbnb)’.“

Landwirtschaft

Die SED forderte einst im Zuge der Kollektivierung der Landwirtschaft „Junkernland in Bauernhand“. Die Linke ruft nun nach „Ackerland in Bauernhand: Wir wollen staatliche Pachtverträge nach sozialen und ökologischen Kriterien vergeben. Außerdem braucht es eine Pachtpreisbremse.“

Außenpolitik

Die Linke ruft nach einer „Entspannungspolitik, die internationales Recht und den Weg der Diplomatie und Verhandlung stärkt. Die endlich die Fluchtursachen bekämpfen – nicht die Geflüchteten.“ Waffenexporte und das „Geschäft mit Waffen, Zerstörung und Tod“ lehnen die Linken ab.

Man verurteile „den verbrecherischen Angriffskrieg Putins und die begangenen Kriegsverbrechen und setzen uns für eine Bestrafung der Verantwortlichen ein“. Der Krieg gegen die Ukraine müsse beendet und die russischen Truppen müssen aus der Ukraine abgezogen werden. „Die Souveränität der Ukraine muss wiederhergestellt werden.“

Bundesregierung und EU müssten „endlich alle Anstrengungen unternehmen, um – auch gegen den Willen der USA – mit Ländern wie China, Indien und Brasilien diplomatischen Druck auf Russland auszuüben“. Die US-Militärbasen in der EU müssten geschlossen werden.