Symbol der Versöhnung verstorben: Große Trauer um Mevlüde Genç
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Mevlüde Genç ist nicht mehr am Leben. Sie verstarb am Wochenende im Alter von 79 Jahren, wie das türkische Generalkonsulat in Düsseldorf mitteilte. Die Nachricht löste bundesweit Bestürzung und Betroffenheit aus.
Genç hatte bei einem rechtsextremistischen Terroranschlag in Solingen am 29. Mai 1993 zwei Töchter, zwei Enkelkinder und eine Nichte verloren. Mehrere weitere Familienmitglieder waren dabei zum Teil schwer verletzt worden. An den Folgen haben sie noch heute zu leiden.
Das Totengebet für sie findet am Dienstag, den 1. November, ab 14 Uhr in der Unteren Wernerstraße 81 in Solingen statt – dort, wo einst das Zweifamilienhaus stand, auf das der Brandanschlag verübt wurde. Es wird mit einer großen Anteilnahme gerechnet, da am Dienstag auch ein gesetzlicher Feiertag in Nordrhein-Westfalen (Allerheiligen) ist. Interessierte, die mit dem Auto anreisen, werden gebeten, am Theater- und Konzerthaus Solingen (Teschestraße), am Rathaus (Potsdamer Straße), an der DITIB-Moschee in der Schlachthofstraße oder an weiteren geeigneten Standorten zu parken und die Strecke bis zur Unteren Wernerstraße zu Fuß zurückzulegen.
Versöhnende Worte nach dem Anschlag verhindern weiteres Chaos
Durch ihre versöhnenden Worte unmittelbar nach dem Anschlag wurde Mevlüde Genç nicht nur in Solingen, sondern auch darüber hinaus zu einer wichtigen Persönlichkeit im Kampf gegen Rassismus. „In der Nacht habe ich geweint. Aber am Tag habe ich meinen überlebenden Kindern ins Gesicht lächeln müssen, um dafür zu sorgen, dass Hass nicht Eingang findet in ihre Herzen“ – so lautete einer ihrer vielbeachteten Sätze.
Mit diesen und weiteren ähnlichen versöhnenden Worten verhinderte die starke Frau womöglich sogar ein größeres Übel in Deutschland, das damals von einer Welle des Fremdenhasses überzogen wurde. „Nach 1993 ist meine Welt zusammengebrochen. Meine Tränen habe ich nicht gezeigt. Aber ich habe gesehen, dass die Menschen in Frieden und Freundschaft weiterleben müssen. Deshalb habe ich sie zu mehr gegenseitiger Freundschaft, Friede und Liebe eingeladen. Das war in dieser Situation meine große Aufgabe. Dessen war ich mir bewusst“, so Genç, die wegen ihrer Haltung und ihrem Engagement unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet wurde.
„Nur wenn ich sterbe, wird es zu Ende sein“
Den Tätern verzieh sie und bewies damit einmal mehr Größe. Die Tatnacht an sich verfolgte sie aber ihr Leben lang. „Ich höre noch ihre Schreie. Es ist so, als wenn man eine Kassette abspielt. Nur wenn ich sterbe, wird es zu Ende sein“, sagte sie einmal.
Mit den Ereignissen vom Mai 1993 und der Person von Mevlüde Genç, die in der deutsch-türkischen Community auch als „Mevlüde ana“ – Mutter Mevlüde – verehrt wurde, befassten sich auch mehrere filmische Werke, darunter „93/13 | 20 Jahre nach Solingen“ von Mirza Odabaşı.