Kampagne oder berechtigte Kritik? Warum es Streit um Kandidatin Ferda Ataman gibt
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes wird mit einer neuen Chefin besetzt. Was eher langweilig klingt, ist zum Politikum geworden. Die Ampel-Kandidatin für das Amt wird von Kritikern seit Wochen attackiert. Ihre Befürworter sehen eine Kampagne.
Der Bundestag stimmt an diesem Donnerstag über die Neubesetzung der Leitung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes ab. Das Bundeskabinett hatte dafür im Juni die Journalistin Ferda Ataman vorgeschlagen. Die Personalie wird seit Wochen von Oppositionspolitikern aus Union und AfD, aber auch einzelnen Vertretern der Regierungspartei FDP kritisiert. Sie sprechen Ataman die Eignung ab und bezeichnen sie unter anderem als „linke Aktivistin“, die für „spaltende Identitätspolitik“ stehe. Auch im Netz wird Ataman attackiert. SPD-Chefin Saskia Esken spricht von einer „verleumderischen Kampagne“. Die Mehrheit für Ataman steht aber wohl.
Ferda Ataman hatte unter anderem mit einer „Spiegel“-Kolumne 2020 für Diskussionen gesorgt, als sie die Bezeichnung „Kartoffel“ für Deutsche ohne Migrationshintergrund verteidigte. Kritisiert wurde auch die Löschung früherer Tweets, die als polemisch interpretiert werden könnten. Private Tweets habe sie aus Neutralitätsgründen von ihrem Account gelöscht, hatte Ataman im Juni dazu gesagt.
Steht Ataman für spaltende Identitätspolitik?
In der FDP äußerte sich vor allem die ehemalige Generalsekretärin Linda Teuteberg immer wieder kritisch über die Kandidatin. Zuletzt in der „Neuen Zürcher Zeitung“: Ataman stehe in besonderer Weise „für spaltende Identitätspolitik, Diffamierung Andersdenkender und eine fehlende Bereitschaft zur Differenzierung“. Identitätspolitik teile Menschen in unentrinnbare Gruppenzugehörigkeiten ein, so dass sich ständig nur Opfer und Privilegierte gegenüberstünden, sagte Teuteberg.
Die notwendige Mehrheit der Ampel-Parteien für die Kandidatin steht aber aller Voraussicht nach, obwohl sich auch einzelne andere Freidemokraten kritisch geäußert hatten. Die FDP würde eine Koalitionskrise provozieren, würde sie der Personalie nicht zustimmen. Schließlich hatte das Bundeskabinett, in dem auch FDP-Chef und Vizekanzler Christian Lindner und weitere FDP-Minister vertreten sind, den gemeinsamen Personalvorschlag gemacht. Ausgegangen war er vom grün-geführten Bundesfamilienministerium, bei dem die Antidiskriminierungsstelle angesiedelt ist.
Kandidatin bringt notwendige Erfahrung mit
Bei einer Probeabstimmung in der Fraktion am Dienstag gab es nach dpa-Informationen zwei Enthaltungen und nur wenige Nein-Stimmen. FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagte der „Bild“-Zeitung, obwohl er „nicht in allen Punkten“ mit Ataman übereinstimme und die Kartoffel-Äußerung für „inakzeptabel“ halte, müsse eine liberale Demokratie „unterschiedliche Meinungen“ aushalten. Zudem habe sie im Gespräch mit der FDP-Fraktion die Kartoffel-Aussage als Fehler bezeichnet.
Ataman hatte vor einigen Jahren auch schon den Bereich Öffentlichkeitsarbeit der Antidiskriminierungsstelle geleitet. Damit bringe sie nachweislich die notwendige Erfahrung für die Position mit, „und darauf kommt es an“, sagte der FDP-Fraktionschef.
AfD, CDU und FDP auf einer Linie
Union und AfD bekräftigten vor der Wahl noch einmal ihre Bedenken. Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), sagte am Mittwoch, der Personalvorschlag sei das Gegenteil von Zusammenführung und spalte. Hamburgs CDU-Chef Christoph Ploß twitterte: „Gerade in diesem Bereich brauchen wir mehr Gemeinsamkeit und keine linken Spalter!“ Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Bernd Baumann, sagte, es solle eine Frau zur Antidiskriminierungsbeauftragten gewählt werden, die „durchweg Deutsche diskriminiert“. In Kommentaren im Netz und auch verschiedenen Medien war Ähnliches zu lesen.
Vertreter von SPD und Grünen wiesen die Angriffe zurück. „Die wunderbare Ferda Ataman soll die Antidiskriminierungsstelle leiten – Anlass für eine verleumderische Kampagne, die in Drohungen gegen ihre Familie mündet“, schrieb SPD-Chefin Esken bei Twitter und sprach von haltlosen Vorwürfen. Die stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Agnieszka Brugger schrieb, sie habe Ataman „als klug, sehr empathisch, freundlich, dialogorientiert, reflektiert“ erlebt. „Was manche über sie schreiben, passt überhaupt nicht zur Person, die mir begegnet ist.“
Was wird sie machen?
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes berät Betroffene auf Basis des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes bei der Durchsetzung ihrer Rechte, wenn sie beispielsweise aus rassistischen, ethnischen, geschlechtlichen oder religiösen Gründen diskriminiert werden oder wurden. Das können zum Beispiel Diskriminierungen wegen des Nachnamens bei der Wohnungssuche sein oder auch bei der Jobsuche wegen des Alters.
Die Stelle holt auch Stellungnahmen der Gegenseite ein und vermittelt gütliche Einigungen. Zudem gibt sie Studien in Auftrag, erstellt Leitfäden, Broschüren oder Ratgeber und macht mit Öffentlichkeitsarbeit auf Diskriminierungsthemen aufmerksam.
dpa/dtj