Integrationspflicht: Wie europäisch ist das?
Die rheinland-pfälzische CDU-Partei- und Fraktionschefin Julia Klöckner fordert ein Gesetz zur Integrationspflicht für Flüchtlinge. Der Grund dafür ist, dass ein Flüchtling verweigert haben soll, einer Frau die Hand zu geben. Es könne, so die Fraktionschefin Julia Klöckner, „ein Weltbild von gestern, kein Vorbild für morgen sein.“ Der Flüchtling habe also ein Weltbild von gestern und soll daher zur Integration verpflichtet werden.
Ich persönlich finde die Argumentation, „ein Weltbild von gestern“ falsch, ja sogar beleidigend. Es handelt sich schlicht und einfach um eine andere Kultur bzw. Weltsicht. Denn dieses Weltbild hatten auch die Türken und Araber, als sie in den 60er Jahren nach Deutschland kamen, obwohl sie im Vergleich zu den heutigen Flüchtlingen nicht unbedingt religiöser waren. Die DITIB beispielweise wusste nicht, wie sie auf die Gratulation zum Ramadan seitens des damaligen Papstes reagieren sollte und ließ die Gratulation deshalb unbeantwortet. Es sei haram – nicht erlaubt -, den Kontakt zu einem Christen auf diese Weise aufzubauen.
Dialog mit „Anderen“
Oder beispielsweise wurde der muslimische Prediger Fethullah Gülen zur gleichen Zeit türkeiweit beleidigt, gehasst und gar der Glauben abgesprochen, da er den Dialog mit den „Anderen“ pflegte (im wahrsten Sinne des Wortes den Papst besuchte) und somit „Neues“ und zugleich mit dem Koran vermeintlich nicht Vereinbares (also die friedliche (!) Beziehung zu Nichtmuslimen) „produziert“ hätte.
Es ist die Angst dieser Menschen gegenüber den „Anderen“, weil sie Jahrhunderte lang den „Anderen“ nur in Bezug auf Kriegssituationen und auf Kolonialisierung kennengelernt haben. Der „Andere“ war nie von Nutzen, und wieso soll er sich jetzt plötzlich nützlich machen?
Heute aber, vor allem in Europa und in den USA sind diese Ängste, oder die „Hater“ und Kritiker „von gestern“ offen für den interreligiösen Dialog und strecken Frauen auch unbesorgt die Hand aus.
Die ZEIT ist die Lösung
Der Grund, Frau Klöckner, ist einfach: die ZEIT. Die Migration der Muslime in den letzten Jahrzehnten in nichtmuslimische Staaten hat dafür gesorgt, dass die Muslime nach jahrelangem Kontakt mit Nichtmuslimen gesehen und gemerkt haben, dass die Angst vom „Anderen“ also doch nicht berechtigt ist. Und somit haben sich die Vorurteile, nicht mit einem Integrationszwang, sondern mit der Zeit aufgelöst.
Deshalb ist es falsch, von Flüchtlingen, die gerade einmal seit einigen Wochen bei uns in Deutschland sind, diese Offenheit zu erwarten. Sie haben nun einmal eine ganz andere Kultur und ein ganz anderes Weltbild erlebt.
Übrigens, ihre Art und Weise, eine Integrationspflicht einzuführen, finde ich gar nicht „europäisch“. Ich hätte vielmehr Solidarität und Nachsicht erwartet. Ich bin davon überzeugt, dass diese Menschen, binnen kürzester Zeit – natürlich wenn wir deutsche Bürger sehr gut arbeiten – sich an die europäischen Werte gewöhnen und sie ganz bestimmt respektieren werden. Jetzt aber ist es noch viel zu früh. (Foto: dpa)