Präsident flieht, Kabul fällt: Türkei will mit Pakistan zusammenarbeiten

Van: Hulusi Akar, Verteidigungsminister der Türkei, steht an einer Sicherheitsmauer an der türkisch-iranischen Grenze in der türkischen Provinz Van. Dort werden in den kommenden Wochen viele Flüchtlinge erwartet, größtenteils aus Afghanistan. Foto: -/Turkish Defense Ministry/AP/dpa

Kabul war die letzte Großstadt in Afghanistan in den Händen der Regierung. Doch nun flieht der Präsident, und die Taliban rücken ein. Die Türkei möchte mit Pakistan zusammenarbeiten, um auf die wahrscheinliche Flüchtlingswelle vorbereitet zu sein.

Nach dem rasanten Eroberungszug der Taliban in Afghanistan ist Präsident Aschraf Ghani ins Ausland geflohen. Zuvor hatten die islamistischen Aufständischen am Wochenende weitere Großstädte in dem Krisenstaat erobert und auch die Hauptstadt Kabul eingekesselt. Am Sonntagabend rückten dann Talibankämpfer in die Millionenmetropole ein und besetzten auch den Präsidentenpalast.

Ghani schrieb zur Begründung seiner Flucht auf Facebook, andernfalls wären zahlreiche Landsleute getötet und die Stadt Kabul zerstört worden. „Ich entschied mich zu gehen, um dieses Blutvergießen zu verhindern.“ Die Taliban hätten ihre Macht mit Waffengewalt errungen und seien nun dafür zuständig, die Leben, das Vermögen und die Ehre der Bürger zu schützen.

Taliban verspricht Frieden

Der Vorsitzende des Nationalen Rats für Versöhnung, Abdullah Abdullah, äußerte sich empört. Er sagte in einer Videobotschaft, Gott möge Ghani zur Rechenschaft ziehen. Auch das Volk werde über ihn richten. Angaben dazu, wohin Ghani abreiste, machte Abdullah nicht. Lokale Medien berichteten, er sei nach Tadschikistan geflogen.

15.08.2021, Afghanistan, Kabul: Taliban-Kämpfer sitzen in einem Raum des Präsidentenpalastes. Nur wenige Stunden nach der Flucht des afghanischen Präsidenten Ghani haben Kämpfer der militant-islamistischen Taliban den Präsidentenpalast in der Hauptstadt Kabul eingenommen. Foto: Zabi Karimi/AP/dpa

Die Taliban versuchten, die Furcht der Bevölkerung vor Chaos und Gewalt zu zerstreuen. Suhail Schahin, ein Unterhändler bei den Gesprächen mit der afghanischen Regierung in Katar, erklärte der BBC: „Wir versichern den Menschen (…) in der Stadt Kabul, dass ihr Hab und Gut und ihre Leben sicher sind.“ Es werde „keine Rache an irgendjemandem“ geben. Unabhängig davon versuchen seit Sonntagabend tausende Menschen, irgendwie das Land zu verlassen. Am Flughafen spielen sich dramatische Szenen ab.

Flüchtlinge aufnehmen oder „Türkei-Deal“?

Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock fordert derweil die Aufnahme von Kontingenten afghanischer Flüchtlinge in Europa, den USA und Kanada. Man müsse sich jetzt darauf vorbereiten, „dass weitere Menschen in so einer dramatischen Situation ihr Land verlassen müssen“, sagte sie im „Interview der Woche“ mit dem Deutschlandfunk.

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Mathias Middelberg (CDU), widersprach. „Das Engagement der EU muss vorrangig auf eine Flüchtlingsaufnahme in der Region ausgerichtet werden.“ Wie im Falle Syriens könne hier etwa an eine Unterstützung der Türkei oder ein gemeinsames Vorgehen mit dem Land gedacht werden. Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth, rechnet mit einem wachsenden Flüchtlingsdruck auch auf die EU und Deutschland. Der SPD-Politiker verwies in der „Rheinischen Post“ darauf, dass es am Hindukusch rund 3,5 Millionen Binnenflüchtlinge gebe. Der Druck werde nicht nur weiter „massiv“ auf die Türkei, Iran und Pakistan steigen. „Ich bin mir sicher, dass der Migrationsdruck auf die EU und Deutschland aber auch zunehmen wird“, sagte Roth.

Erdoğan trifft Pakistans Regierungschef

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan sagte, sein Land werde zugunsten der Stabilität in Afghanistan mit Pakistan zusammenarbeiten, um gemeinsam die wachsende Flüchtlingswelle aufgrund der aktuellen Taliban-Offensive zu stemmen. Auf Einladung des türkischen Präsidenten war Pakistans Präsident Arif Alawi vom 14. bis 16. August in der Türkei. Die beiden Präsidenten führten Gespräche über bilaterale Beziehungen und regionale Fragen. Das große Thema war natürlich der Vormarsch von Taliban. Erdoğans Bündnispartner Devlet Bahçeli von der MHP erklärte am Montag, man müsse sich alle Optionen offenhalten, sich also mit den Taliban zur Not auch an einen Tisch setzen.

dtj/dpa