Deutsch-türkisches Leben 1990: Museum zeigt Foto-Reportage

 
 
 
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Duisburg: Das Foto zeigt ein Selbstbildnis des türkischen Fotojournalisten Ergun Çagatay in Grubenkleidung vor Beginn des Besuchs eines Steinkohlebergwerks in Duisburg-Walsum. Das Foto aus dem Frühjahr 1990 ist in der Fotoausstellung "Wir sind von hier" über das Leben von Türkeistämmigen in Deutschland zu sehen. Foto: Ergun Çagatay/Ruhr Museum/dpa

1990 dokumentiert der türkische Fotograf Ergun Çağatay sechs Wochen lang, wie seine Landsleute und deren Nachkommen in Deutschland leben. Eine Ausstellung in Essen zeigt jetzt die eindrucksvollsten Bilder. Anlass ist die Unterzeichnung des Anwerbeabkommens vor 60 Jahren.

Das Leben von Türkeistämmigen in Deutschland im Jahre 1990 zeigt eine Fotoausstellung in Essen seit letzter Woche Montag. Unter dem Titel „Wir sind von hier“ präsentiert das Ruhr Museum auf dem Gelände der Zeche Zollverein 116 dokumentarische Fotografien des türkischen Fotografen Ergun Çağatay (1937-2018). Er reiste damals nach Deutschland im Rahmen eines Projekts der Pariser Agentur Gamma über Arbeitsmigration nach Mittel- und Nordeuropa.

Çağatay fertigte die Bilder im Frühjahr 1990 innerhalb von sechs Wochen in Hamburg, Köln, Werl, Berlin und Duisburg an. Zu sehen sind Einzel- und Gruppenporträts von Migrant:innen bei ihrer Arbeit etwa in den Ford-Werken, bei Familienfeiern oder Moscheebesuchen. Çağatay schuf insgesamt rund 3500 Aufnahmen.

60 Jahre Anwerbeabkommen

Anlass der Ausstellung ist der 60. Jahrestag der Unterzeichnung des deutsch-türkischen Anwerbeabkommens am 30. Oktober 1961. In Essen ist die Schau bis zum 31. Oktober zu sehen. Die Texte in der Ausstellung und im Katalog sind durchgängig auf Deutsch und Türkisch.

„Nie zuvor wurde das Thema des türkischen Lebens in Deutschland in solcher Breite und so facettenreich fotografisch dokumentiert“, sagte der Direktor des Ruhr Museums, Heinrich Theodor Grütter, am Freitag in Essen. In seiner umfassenden Reportage zeige Çağatay auch, wie die türkische Einwanderung Deutschland verändert habe. Die Ausstellung wird durch das Auswärtige Amt und die RAG-Stiftung gefördert.

Döner 3,50 Mark

Obwohl 30 Jahre alt, wirken die Bildmotive oft vertraut und aktuell. Çağatay fotografierte etwa einen türkischen Imbiss, in dem der Döner damals 3,50 Mark kostete. Eine Reihe von Aufnahmen zeigen türkische Obst- und Gemüsehändler vor ihren bunten Auslagen. Viele Fotos machte Çağatay in den Arbeitswelten der Migrant:innen und ihrer Nachkommen. „Das Ziel meiner Reise bestand darin, die soziale Integration beziehungsweise Nicht-Integration der zweiten Generation zu zeigen“, zitiert die Ausstellung den vor drei Jahren gestorbenen Fotografen.

„Durch die Geschichten und Erfahrungen der Menschen bekommt Zuwanderung ein Gesicht, besser gesagt: viele Gesichter“, sagte die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Michelle Müntefering (SPD), am Freitag in Essen. „Gerade hier im Ruhrgebiet wissen wir, wie wichtig diese Gesichter und Geschichten für den Zusammenhalt der Gesellschaft sind, die nur aus Vielfalt Stärke gewinnt.“

Alis Buch

Flankiert werden die Bilder von acht Video-Interviews mit Persönlichkeiten, die wichtige Beiträge zum Thema deutsch-türkische Migration geleistet haben. Interviewt wurde etwa der Investigativ-Journalist Günter Wallraff, der 1985 seine Erfahrungen als Türke „Ali“ in seinem Buch „Ganz unten“ veröffentlicht hatte.

Zur Ausstellung gibt es ein umfangreiches Begleitprogramm mit einem Symposium, einer deutsch-türkischen Kulturnacht, aber auch mit Kochkursen. Erstmals begleitet das Ruhr Museum eine Ausstellung mit einem eigenen Instagram-Kanal. Er hat die Adresse @60JahreAlmanya. Das Museum will damit vor allem ein jüngeres Publikum ansprechen. Die Schau soll anschließend auch in Hamburg und Berlin gezeigt werden. Ab November will das Goethe-Institut die Bilder parallel in der Türkei präsentieren.

dpa/dtj