„Je mehr wir gelesen haben, desto besorgter wurden wir“

 
 

Die Biontech-Gründer sind in der Corona-Krise zu Helden geworden. Nun geben sie seltene Einblicke in die turbulente Zeit, die sie gerade durchleben. Dabei verraten sie auch, wie sie das neue Milliardärsleben empfinden und warum es bei ihnen keinen Ehekrach gibt.

Innerhalb von nur elf Monaten entwickelten Özlem Türeci und Ugur Sahin den weltweit ersten Impfstoff gegen Covid-19. In Berlin wurden die Biontech-Gründer daher nun mit dem Axel Springer Award 2021 ausgezeichnet. Quelle: WELT/ Nadine Jantz © via REUTERS Innerhalb von nur elf Monaten entwickelten Özlem Türeci und Ugur Sahin den weltweit ersten Impfstoff gegen Covid-19. In Berlin wurden die Biontech-Gründer daher nun mit dem Axel Springer Award 2021 ausgezeichnet. Quelle: WELT/ Nadine Jantz

Die ganze Welt schaut auf Uğur Şahin und Özlem Türeci. An den beiden Gründern des deutschen Impfstoff-Herstellers Biontech und Erfindern des ersten zugelassenen Vakzins gegen das Coronavirus hängt schließlich nichts weniger als der Ausgang der globalen Pandemie.

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Für ihre Verdienste um die Forschungsarbeiten bekam das Paar am Donnerstagabend den diesjährigen Axel Springer Award verliehen. Im Gespräch mit Axel-Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner blickten Şahin und Türeci auf das Wettrennen um den Impfstoff zurück, benannten ihre größten Herausforderungen – und gaben ungewohnte Einblicke in ihr Privatleben.

Uğur Şahin über den Tag der Entscheidung

„Die Geschichte ist wahr“, sagte Şahin. Bereits am 24. Januar 2020 – dem Tag, an dem der erste Corona-Fall in Deutschland diagnostiziert wurde – haben sich die beiden Biontech-Gründer entschlossen, in die Corona-Impfstoffentwicklung einzusteigen. Damit war das Forscher-Paar deutlich vor der Zeit, gingen damals noch zahlreiche Experten davon aus, dass das Virus keine große Gefahr für Europa darstellen würde.

Biontech Gründer Uğur Şahin und Özlem Türeci, Preisträger des Axel Springer Awards © Martin U. K. Lengemann/WELT Biontech Gründer Uğur Şahin und Özlem Türeci, Preisträger des Axel Springer Awards

An jenem Tag lasen Şahin und Türeci einen wissenschaftlichen Artikel, der erst Stunden zuvor veröffentlicht worden sei. „Und je mehr wir lasen, desto besorgter wurden wir“, sagte Şahin.

Ein Aspekt habe den Biontech-Co-Gründer besonders aufgeschreckt: Fälle, in denen Corona-Infizierte keine Symptome zeigten.

Das Problem: In Wuhan wurden zunächst nur Menschen mit Symptomen isoliert, alle anderen durften reisen. „Die aktiven Maßnahmen, die getroffen worden sind, waren nicht ausreichend, um das Virus zu kontrollieren“, sagte Şahin. Am Ende sei ihnen klar gewesen, dass es sich nicht um einen lokalen Ausbruch handeln kann. Das Virus habe sich wahrscheinlich schon global ausgebreitet.

Özlem Türeci über einen magischen Moment

„Das war an einem Sonntag“, erinnert sich Türeci zurück. In der Impf-Forschung gebe es immer einen Moment der Wahrheit. Es sei jener Zeitpunkt, an dem externe Wissenschaftler über die Wirksamkeit des Vakzins informiert werden.

„Bis zu diesem Zeitpunkt gab es keinen Hinweis, ob er schützt oder nicht“, sagte Türeci. „Als wir hörten, dass unser Impfstoff zu mehr als 90 Prozent wirksam ist, waren wir sehr glücklich.“

Uğur Şahin über eine unerwartete Herausforderung

100 Millionen Dosen – das war das erste Produktionsziel gegen Ende des vergangenen Jahres. Doch daraus wurde so schnell nichts, wie Şahin im Gespräch mit Axel-Springer-Vorstandschef Döpfner eingestand. „Wir haben darauf vertraut, dass wir die Rohmaterialien auch bekommen würden, die wir bestellt hatten“, sagte Şahin.

Der Biontech-Gründer spricht von Lipiden – Substanzen, ohne die mRNA-Impfstoffe nicht funktionieren. „Die waren leider nicht von der hohen Qualität, die wir brauchten. Deswegen konnten wir sie nicht verwenden“, sagte Şahin.

Die Konsequenz: Statt der anvisierten 100 Millionen konnte das Unternehmen zunächst nur 40 Millionen Dosen produzieren. „Das ist für uns natürlich ein herber Rückschlag“, sagte der Biontech-Gründer: Millionen Dosen nicht zu produzieren, die Leben retten könnten. Das Team habe aber schnell exzellente Lösungen entwickelt.

Özlem Türeci über den schwierigen Vornamen ihres Mannes

Sie habe einfach einen sehr starken deutschen Akzent, wenn sie Türkisch spricht, sagte Özlem Türeci. Das sei auch der Grund, warum die Biontech-Gründerin den Vornamen ihres Mannes manchmal so ausspricht, wie es wohl die meisten Deutschen tun würden: Ugur.

Dabei ist das „ğ“ mit dem diakritischen Zeichen Breve ein weiches „g“. Es bleibt stumm, dafür wird der Vokal danach in die Länge gezogen. Umso mehr freue es Türeci aber, wenn Deutsche wie etwa Axel-Springer-Vorstand Döpfner den Vornamen Uğur schön aussprechen.

Uğur Şahin über die Bodenständigkeit als Milliardär

Wegen der Erfolge mit dem Corona-Impfstoff gingen auch die Aktien von Biontech durch die Decke. Co-Gründer Sahin hat das inzwischen zu einem Multimilliardär gemacht. Irgendetwas ändern würde das aber nicht: „Wir konzentrieren uns auf unsere Arbeit, wir lieben die Wissenschaft“, sagte Şahin.

Die Wahrheit zu entdecken und Lösungen zu entwickeln – das nehme 99 Prozent ihrer Gehirnleistung in Anspruch. Alles andere ist das, was man braucht, um zu leben. „Wir sind da sehr pragmatisch“, sagte Şahin.

Das ganze Gespräch von Mathias Döpfner mit den Gründern von Biontech können Sie hier im Podcast hören.

„Ich habe ein Fahrrad, weil es einfach das praktischste ist, um sich in Mainz fortzubewegen“, sagte Şahin. Mit einem Auto hätte man eine entsprechende Verantwortung. „Wir versuchen auf dem Boden zu bleiben, weil die Wissenschaft auch etwas für Menschen ist, die auf dem Boden sind.“

Özlem Türeci über Ehekrach

Die ganze Welt schaut auf die wichtige Arbeit des Gründer-Ehepaars. Da mag selbst ein Ehekrach ein Risiko für den Fortschritt bei der Pandemie-Bekämpfung darstellen.

Türeci weiß zu beruhigen: „Das passiert bei uns nicht“, sagt die Biontech-Gründerin. „Und schon gar nicht jetzt.“ Sie haben schlichtweg zu viel zu tun. „Mein Mann sagt immer: Ehekrach kommt aus einem gelangweilten Umgang miteinander“, sagte Türeci. „Und wir haben uns noch nicht ein einziges Mal gelangweilt.“

Eine Sache könnte doch noch zum Ehekrach führen: das Ende der Pandemie. Denn für diesen Zeitpunkt hat sich Türeci vorgenommen, mal wieder länger zu schlafen. „Um mich vorzubereiten auf die Ehekrachs“, wie Türeci sagte.

Uğur Şahin über das ewige Leben

Der Wunsch nach dem ewigen Leben prägt Gesellschaften seit jeher. Doch den Schlüssel zu einer deutlich höheren Lebenserwartung hat die Wissenschaft noch nicht gefunden.

Am Ende des Tages gehe es bei der Frage nicht nur um einfache Technologie, sagte Şahin. „Die Herausforderung ist, zu verstehen, was die Lebenserwartung beeinflusst.“ Bei Tierversuchen gebe es bereits Wissen darüber, wie die Lebenszeit verlängert werden könnte.

Wenn diese Art von Wissen auf Menschen übertragen werden könnte, gebe es keine klaren Limits bei der Frage, warum Menschen nicht auch in höheren Jahren gesünder bleiben sollten. Die Impfstoff-Erfolge, sagte Sahin, könnten nun einen positiven Effekt auf die Krebsforschung haben – dem eigentlichen Fokus der beiden Biontech-Gründer.

Uğur Şahin über seine Halskette

Es gibt kaum ein Bild von Uğur Şahin, auf dem er sie nicht trägt: seine Lederkette mit einem Nazar-Amulett. Sahin hat das Schmuckstück stets um seinen Hals, egal ob zum Anzug oder unter dem T-Shirt.

Dem Glauben nach soll die Kette vor bösen Blicken schützen. „Selbst wenn Menschen neidisch sind“, sagte Şahin.

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