„Ich bin nicht mein Schöpfer. Aber ich bin Kurde“
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-Die Stadt Diyarbakır ist die größte Metropole im Südosten der Türkei. Die Stadt ist das Zentrum der pro-kurdischen demokratischen Politik und Zivilgesellschaft. Genauso wichtig ist diese Stadt im Gesamtgefüge der türkischen Republik.
Hier kann sich großer Widerstand gegen Maßnahmen der türkischen Regierung entwickeln und die politische Lage in der gesamten Türkei beeinflussen. Deshalb ist Diyarbakır ein Objekt der Begierde für den konservativen türkischen Staat. Diese Begierde kann schon mal so groß werden, dass ein gewählter Bürgermeister abgesetzt wird. Noch im August dieses Jahres wurden die Bürgermeister der Städte Diyarbakır, Mardin und Van verhaftet und ihre Kommunen unter staatliche Zwangsverwaltung gestellt. Ihnen wurde vorgeworfen, gemeinsame Sache mit der HDP und der PKK zu machen. Proteste der örtlichen Bevölkerung wurden durch Polizeigewalt, Wasserwerfer und Plastik- oder Gummigeschosse unterbunden.
Zana: „Ich wurde 38 Monate lang täglich gefoltert“
Auch Mehdi Zana war einst Bürgermeister von Diyarbakır. Er wurde 1977 der erste kurdische Bürgermeister von Diyarbakır. Der mittlerweile 80-jährige Zana lebt heute in Stockholm. Gemeinsam mit seiner Ehefrau Leyla Zana verbrachten sie eigenen Angaben zufolge zusammen 26,5 Jahre in türkischen Gefängnissen. Er selbst ganze 16 Jahre und seine Frau zehneinhalb.
In einem Youtube-Interview behauptet Mehdi Zana nun, dass er im Gefängnis ganze 38 Monate ununterbrochen gefoltert worden sei. Nur weil er Kurde ist, sei er für 16 Jahre eingesperrt gewesen, ist sich Zana heute sicher. „38 Monate lang wurde ich täglich morgens und abends geschlagen, aber ich habe nie Feindschaft gegen einen Türken gehegt. Eines Tages werden wir alle sterben und wir hinterlassen das, was wir tun. Ich bin nicht mein Schöpfer. Aber ich bin ein Kurde.“
„Der türkische Staat erkennt die Rechte der Kurden nicht an“
Seine einzige Schuld sei es gewesen, die Kurdenfrage anzusprechen und auf die kurdische Sprache zu bestehen. Doch der türkische Staat akzeptiere die Kurden, ihre Ethnie und ihre Probleme nicht. „Zu keinem Zeitpunkt in meinem Leben habe ich Gewalt befürwortet, nie selber Gewalt angewendet und mich mit niemandem gestritten. Ich bin niemandes Feind. Ich habe einzig versucht, meinem Volk zu helfen“, so Zana heute.
Wenn er auf die Vergangenheit zurückblicke, bereue er nichts. Doch er habe im Gefängnis den Tod von 65 Freunden miterleben müssen. Mehr als 30 dieser Personen habe er namentlich in seinem Buch festgehalten. „Meine Freunde lehnten die Haltung des Staates ab. Es gab Repressalien und Grausamkeiten“, so der ehemalige Politiker. Er sieht die türkische Bevölkerung in der Pflicht, die Rechte der kurdischen Bevölkerung zu verteidigen. Ohne die Solidarität der Gesamtbevölkerung werde der Druck des türkischen Staates gegen die Kurden anhalten. Denn die Ursache der Kurdenfrage sei ein systematisches Phänomen. Der Staat erkenne die Rechte der Kurden grundsätzlich nicht an.