Migration: Tonartwechsel in den Niederlanden

                Artikel von Peter Riesbeck/ F.R.

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Am Wochenende auf dem Parteikongress der rechtsliberalen VVD in Nieuwegein erfand sich Yesilgöz neu. Und ihre rechtsliberale Partei gleich mit. © Ramon Van Flymen/AFP

Die Liberalkonservativen verbannen das Thema Migration aus dem anlaufenden Wahlkampf. Stattdessen setzt deren Spitzenkandidatin Dilan Yesilgöz ganz klassisch auf Sicherheit und Wohlstand.

Das ging schnell. „Hier steht eine erneuerte VVD“, sagte Dilan Yesilgöz, Spitzenkandidatin der niederländischen Rechtsliberalen für die vorgezogenen Neuwahlen. Erst Anfang des Monats hatte der Rechtspopulist Geert Wilders die Koalition mit Yesilgöz‘ rechtsliberaler VVD und zwei weiteren Parteien aufgekündigt. Beim Wahlkongress am Wochenende läutete die rechtsliberale Politikerin in den Niederlanden jetzt eine neue politische Zeitrechnung ein und sagte: „Es ist unsere Aufgabe, die Menschen davon überzeugen, dass jede Stimme für Wilders eine verlorene Stimme ist. Das hat er bewiesen.“

Eine neuerliche Koalition mit Geert Wilders‘ „Partei für die Freiheit“ hatte die Spitzenkandidatin schon zuvor ausgeschlossen. Vor den Delegierten im Saal in der bei Utrecht gelegenen Stadt Nieuwegein machte Yesilgöz an diesem Wochenende nochmal deutlich, warum: „Heute geht es um Führung, Richtung und Entschlossenheit. Dieses Memo hat Geert Wilders nicht erreicht. 2012 ließ er die Niederlande während der Finanzkrise im Stich. Jetzt tut er es erneut, mitten in einer turbulenten Welt, in der alles auf dem Spiel steht“, sagte sie und brandmarkte Wilders als einen Risikofaktor in ohnehin sehr unsicheren Zeiten.

Die Botschaft lautete: Mit Rechtsaußen lässt sich nicht regieren. Yesilgöz, 47, in Ankara geboren, kam als Kind ins Land. Als Justizministerin im Kabinett des rechtsliberalen Premiers Mark Rutte fuhr sie einen sehr strikten Kurs: in der Rechtspolitik, aber auch in Asylfragen. Das Etikett „Pitbull mit Empathie“ verpasste ihr die heimische Presse. Am Wochenende auf dem Parteikongress der rechtsliberalen VVD in Nieuwegein erfand sich Yesilgöz neu. Und ihre rechtsliberale Partei gleich mit.

Das zeigte sich schon im neuen politischen Wording. Yesilgöz vollzog einen Tonartwechsel. Das wurde deutlich, je länger sie vor den Delegierten sprach. Von Migration war da kaum die Rede. Für Yesilgöz ein Thema, mit dem sich gegen Rechtsaußen ohnehin nicht punkten lässt. In Europa mussten das schon andere erleben. Yesilgöz setzte stattdessen auf die eigene Stärke der VVD und viel liberalen Fortschrittsglauben. Ihre neu nach vorne gestellten Themen sind Sicherheit, Wohlstand und Aufstiegsversprechen. Oder, wie es die Tochter kurdischer Geflüchteter ausdrückte: „Das Streben, dass es deine Kinder später mal besser haben“. Zurück zum alten Aufstiegsversprechen also.

Auch beim Thema Klimakrise und Klimaschutz wird vor der Wahl im Herbst verbal umgerüstet. Die Termini „Transformation“, „Klimaumbau“ und „grünes Wachstum“ fanden sich nicht in Yesilgöz Rede. Nur keine Veränderungen. Nur keine weiteren Zumutungen. Ein gezielter Hieb auch auf die politische Konkurrenz von links. Dort treten Sozialdemokraten und Grüne erstmals als neue Partei an. Ihr Spitzenkandidat: Frans Timmermans – den manche auch als „Super-Frans“ oder EU-Klimazar kennen. Doch ist der Grüne Deal in Brüssel aus dem politischen Sprachgebrauch mittlerweile verbannt. „Clean Tech“ – saubere Technik – heißt das jetzt. Yesilgöz schließt sich dem an. Die grüne Vorreiterrolle beim Klima könnte wird für Timmermans also auch zum Problem werden.

erscheint bis Herbst noch möglich zu sein.

Das neue liberale Credo in den Niederlanden lautet: Stabilität in unsicheren Zeiten. Den längsten Applaus gab es am Wochenende für Yesilgöz‘ Aussage: „Wer jetzt noch glaubt, die Zusammenarbeit mit Wilders bietet die Chance für gutes Regierung in Fragen von Migration, Sicherheit und Freiheit, der irrt.