Dobrindt will Familiennachzug und beschleunigte Einbürgerung stoppen

                 Artikel von Jana Wolf

Berlin. Innenminister Alexander Dobrindt legt am Mittwoch zwei Migrationsgesetze im Kabinett vor: Der Familiennachzug für bestimmte Flüchtlinge soll ausgesetzt und die Einbürgerung nach drei Jahren rückabgewickelt werden. Migrationsexperten sind skeptisch.

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Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) will am Mittwoch zwei wichtige Migrations-Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag ins Kabinett einbringen. © Ebrahim Noroozi

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) will an diesem Mittwoch zwei Gesetzentwürfe ins Kabinett einbringen und damit die im Wahlkampf versprochene „Migrationswende“ vorantreiben. Zum einen soll der Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus ausgesetzt werden, zum anderen die beschleunigte Einbürgerung nach drei Jahren rückabgewickelt werden. Auf beide Vorhaben haben sich Union und SPD bereits in ihrem Koalitionsvertrag verständigt. Wenn beide Änderungen wie geplant am Mittwoch vom Kabinett beschlossen werden, kommen sie der Gesetzesreife näher.

Beim Aussetzen des Familiennachzuges geht es um Personen, die in Deutschland weder den Flüchtlingsschutz noch eine Asylberechtigung bekommen, aber trotzdem hierbleiben dürfen, weil ihnen im Herkunftsland politische Verfolgung, Folter oder die Todesstrafe drohen. Bisher war der Nachzug von Familienangehörigen dieser subsidiär Schutzberechtigten auf 1000 Personen pro Monat begrenzt. Der neue Gesetzentwurf sieht vor, den Familiennachzug für zwei Jahre komplett auszusetzen. Härtefälle sollen ausgenommen werden.

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Dobrindt sagte zur Begründung, man müsse „Pull-Faktoren“ nach Deutschland deutlich reduzieren. „Auch damit zeigen wir, die Migrationspolitik in Deutschland hat sich geändert“, so der CSU-Politiker gegenüber der „Bild“-Zeitung.

Kritik von Experten

Fachleute sehen die Gesetzesänderung dagegen kritisch. „Das geplante Aussetzen des Familiennachzugs ist aus humanitärer Sicht problematisch“, sagte der Migrationsexperte Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) unserer Redaktion. Es betreffe vor allem Syrer und Menschen, die aus anderen Kriegs- und Krisengebieten geflohen seien. „Wir sprechen hier über den Nachzug der Kernfamilie, also Kinder und Partner, in der Regel die Frauen. Wir wissen aus Studien, dass die Trennung von der eigenen Familie für Geflüchtete psychisch sehr belastend ist und damit auch deren Integration behindert“, so Brücker. Den quantitativen Effekt zur Begrenzung der Migration schätzt er zudem als „sehr gering“ ein.

Aus Sicht des Migrationsrechtlers Winfried Kluth ist die Pausierung des Familiennachzugs menschen- und verfassungsrechtlich zwar grundsätzlich möglich. Allerdings fordert der Vorsitzende des Sachverständigenrats für Integration und Migration (SVR), dass stärker als bisher geplant auf Fälle Rücksicht genommen wird, in denen die Asylantragsteller schon länger auf die Bescheidung ihrer Anträge warten. Es könne zu deutlich längeren Gesamtwartezeiten kommen, die dann problematisch wären, so Kluth. „Zudem sollte der positive Effekt des Familiennachzugs auf die Integration nicht vernachlässigt werden“, sagte auch der SVR-Vorsitzende.

Bundesregierung will „Turboeinbürgerung“ abschaffen

Beim zweiten Gesetzentwurf, den Dobrindt am Mittwoch ins Kabinett einbringt, geht es um die notwendige Aufenthaltsdauer in Deutschland bis zur Einbürgerung. Die Ampel-Koalition hatte eine beschleunigte Einbürgerung nach drei Jahren für gesellschaftlich besonders engagierte Menschen eingeführt. Als „besondere Integrationsleistungen“ galten etwa gute Sprachkenntnisse, sehr gute Leistungen in der Schule oder im Job sowie ehrenamtliches Engagement. Die neue Bundesregierung will diese „Turboeinbürgerung“ abschaffen, wie sie im Koalitionsvertrag bezeichnet werden.

In diesem Punkt sind sich Migrationsexperten uneinig. „Die Einbürgerung nach drei Jahren betraf vor allem Top-Migranten, hoch qualifiziert und mit hohen Einkommen“, wandte IAB-Arbeitsmarktexperte Brücker ein. „Damit trifft die Rücknahme der beschleunigten Einbürgerung gerade die Gruppe von Menschen negativ, die wir in Deutschland ja haben wollen. Es senkt den Anreiz für Hochqualifizierte, nach Deutschland zu kommen.“

Dagegen hält der SVR die Rücknahme der „Turboeinbürgerungen“ für sinnvoll, „weil damit der Eindruck eines zu leichten Zugangs zur deutschen Staatsangehörigkeit korrigiert wird“, wie der Vorsitzende Kluth sagte. „Die aktuelle Regelung hatte zur Folge, dass eine Einbürgerung schneller erfolgen kann als der Erwerb eines Daueraufenthaltsrechts. Das ist kaum zu vermitteln und entspricht nicht der Bedeutung des Staatsangehörigkeitsrechts“, so der Migrationsrechtler.

Abgesehen von der beschleunigten Einbürgerung will die neue Regierung aber an der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts aus Ampel-Zeiten festhalten. Es soll also weiterhin gelten, dass legal in Deutschland lebende Personen sich schon nach fünf Jahren um den deutschen Pass bewerben können, nicht wie zuvor erst nach acht Jahren. Der Doppelpass, der früher die Ausnahme war, wurde durch die Reform grundsätzlich möglich. Kinder ausländischer Eltern bekommen nun die deutsche Staatsbürgerschaft, wenn mindestens ein Elternteil seit mehr als fünf Jahren rechtmäßig in Deutschland lebt. Zuvor waren es acht Jahre.

(jw/dpa fkre)