Migrations-Streit verschärft sich – doch Experten sehen Bundesregierung auf dem falschen Weg

                   Artikel von Moritz Maier  / F.R

Flucht und Migration

 

Im Migrationsreport 2025 wird die Asyl- und Migrationslage analysiert. Fachleute kommen zu einem klaren Fazit: Merz und die Regierung ignorieren die Fakten.

Berlin – Friedrich Merz will die deutsche Asyl- und Migrationspolitik grundlegend verändern – das kündigte der neue Bundeskanzler im Wahlkampf bei nahezu jeder Gelegenheit an. Schärfere Grenzkontrollen, schnellere Abschiebungen, insgesamt weniger Migration in die Bundesrepublik – und das ab Tag eins, wie die Union mehrfach klarmachte. Die Ankündigungen stoßen bei vielen Deutschen auf offene Ohren – jedoch gehen sie an einer realistischen Asyl- und Migrationspolitik vorbei. Diesen scharfen Vorwurf formulierten am Montag Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei der Vorstellung des „Report Globale Flucht 2025“ in Berlin. Statt erfolgversprechende Maßnahmen zu stärken, könnte Schwarz-Rot genau dort das Geld streichen

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Forscher Benjamin Etzold stellte am Montag (19. Mai) den Report Globale Flucht 2025 vor – und kritisierte dabei die Asyl- und Migrationspolitik der deutschen Bundesregierung scharf

Forscher: Deutsche Migrationspolitik wird den Herausforderungen nicht gerecht

„Auf Deutschland konzentrierte Debatten waren und sind häufig aufgeheizt, orientieren sich aber wenig an Fakten und wissenschaftlichen Ergebnissen“, sagte Benjamin Etzold vom Bonn Internationsal Centre for Conflict Studies, bei der Vorstellung des Migrationsreports als Teil der Autorinnen und Autoren des über 300 Seiten langen Berichts. „Die deutsche Flüchtlingspolitik wird den globalen Herausforderungen nicht gerecht“, führte Etzold weiter aus. Dass die wissenschaftliche Arbeit vom Bildungs- und Forschungsministerium gefördert wurde, hielt die Fachleute nicht von Kritik an der Bundesregierung ab.

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Der konkrete Vorwurf: Deutschland setzt in der Flüchtlingspolitik zu sehr auf nationale Alleingänge, statt sich nüchtern mit den weltweiten Herausforderungen und daraus resultierender Lösungswege auseinanderzusetzen. Laut Etzold wird die „globale Dimension von Flucht und Vertreibung weitestgehend ignoriert“. „Diese nationale Engführung der Diskussion steht wirklichen Lösungen im Weg.

Deutsche Politik solle aus ihrem „immer wieder erklärten Krisen- und Notfallmodus heraustreten“, so die klare Forderung. Die Debatte um Flucht und Migration müsse versachlicht und auf die tatsächlichen Herausforderungen konzentriert werden. „Einfache und symbolpolitische Maßnahmen, die auf Deutschland und seine Grenzen beschränkt sind, sind hierzu jedoch nicht geeignet“, so Etzolds klare Kritik.

SPD-Ministerin will Entwicklungszusammenarbeit stärken – während das Geld dafür gekürzt wird

Statt nationaler Alleingänge müsste die internationale Zusammenarbeit wieder mehr in den Fokus gerückt und besonders der Fokus auf die Fluchtursachenbekämpfung gelegt werden. Konkret: Es geht darum, die Lebensumstände der Menschen vor Ort zu verbessern, um Gründe für die Flucht präventiv zu verhindern. Nur so könne Deutschland irregulärer Migration vorbeugen. Auch der langjährige Entwicklungsminister unter Angela Merkel – Gerd Müller (CSU) – forderte vor Kurzem einen größeren Fokus und mehr Mittel für internationale Zusammenarbeit als Ursachenbekämpfung von Fluchtbewegungen.

Das Ziel besserer Zusammenarbeit formulierte auch die neue Entwicklungsministerin Reem Alabali Radovan (SPD) bei ihrer Antrittsrede im Deutschen Bundestag vor wenigen Tagen. „Entwicklungszusammenarbeit war noch nie so wichtig wie heute“, so die Ministerin, die klarmachte, dass Deutschland weltweit stabile Gesellschaften und Frieden brauche. „Nur gemeinsam können wir Strukturen verändern, die zu Hunger und Armut und damit zu Konflikten führen. Ihnen vorzubeugen und sie zu bewältigen, das sorgt für weltweite Sicherheit.“ Den Willensbekundungen der Entwicklungsministerin steht der Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD gegenüber, der offen Mittelkürzungen der Gelder für Entwicklungsleistungen ankündigt.

Experte: Kanzler Merz sollte auf seine Fachleute hören

Für die Forscher klarer Grund zur Kritik am migrationspolitischen Weg von Schwarz-Rot: „Wir sehen, dass im aktuellen Koalitionsvertrag Evidenz fehlt.“ Auch Ex-Entwicklungsminister Müller machte klar, die angekündigte Mittelkürzung sei ein Fehler: „Dann verliert Deutschland Fähigkeiten, neue Allianzen für kritischen Mineralien oder zur Eindämmung illegale Migration aufzubauen. Jeder Euro, den wir heute in wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung investieren, rentiert sich in Zukunft um ein Vielfaches“, so Müller im Interview.

Die Forscher wollen die Entwicklungsministerin Alabali Radovan nun beim Wort nehmen, die Fluchtursachenbekämpfung als einen der zentralen Punkte in der künftigen Entwicklungszusammenarbeit zu bestimmen. Entsprechend baute Etzold öffentlich Druck wegen der angekündigten Streichung von Geldern auf: „Also gehe ich stark davon aus, dass in diesem Bereich der Fluchtursachenbekämpfung nicht gekürzt wird.“

Er lobte, dass im Entwicklungsministerium und im Auswärtigen Amt genügend Fachleute die Probleme richtig benennen würden. Kanzler Friedrich Merz sei deshalb „letztlich nur anzuraten, auf die sehr kompetenten Stimmen innerhalb seiner Regierung zu hören“, so Etzold.