AfD-Verbotsverfahren: Verfassungsrechtler sehen Aussicht auf Erfolg
Noch vor Weihnachten könnte der Bundestag über ein AfD-Verbotsverfahren diskutieren. In einem Schreiben, das dem SPIEGEL vorliegt, zeigt sich eine Gruppe von Rechtswissenschaftlern optimistisch, dass ein Verbot gelingen könnte.
In einem fraktionsübergreifenden Antrag für ein AfD-Verbotsverfahren fordern 113 Abgeordnete ein Parteiverbotsverfahren gegen die AfD. Seit Jahren wird darüber diskutiert; auch darüber, wie erfolgversprechend ein solches Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht wäre.
Eine Gruppe von 17 Verfassungsrechtlerinnen und -rechtlern ist sich einig: Ein AfD-Parteiverbotsverfahren hätte Aussicht auf Erfolg. So heißt es in einer rechtswissenschaftlichen Stellungnahme an den Innenausschuss und den Rechtsausschuss des Bundestags, die dem SPIEGEL vorliegt.
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Auch ohne Materialsammlung des Bundesamtes für Verfassungsschutz sei bereits »eine belastbare Einschätzung der Erfolgsaussichten eines Parteiverbotsverfahrens möglich«, schreiben die Rechtswissenschaftler in ihrem Gutachten. »Die AfD ist danach gerade der prototypische Fall einer Partei, durch die die spezifischen Mechanismen der grundgesetzlichen wehrhaften Demokratie aktiviert werden sollen«:
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Laut der Stellungnahme »offenbaren sowohl die Ziele als auch Äußerungen und Verhalten von Mitgliedern der AfD ihr völkisch-nationalistisches Programm«. Außerdem bestehe ein wichtiger Teil der Strategie der Partei daraus, politische Akteure sowie demokratische Prozesse zu delegitimieren. Durch eine Delegitimierung von Medien stärke die AfD »parteinahe Kanäle und Medien mit dem Ziel, die Bevölkerung davon zu überzeugen, dass es eines gewaltsamen politischen Umbruchs bedarf«.
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Die AfD habe sich zunehmend radikalisiert, heißt es in dem 31-seitigen Papier. Das konkrete Verhalten der Parteimitglieder über die vergangenen Jahre offenbarten »ihre wahren verfassungsfeindlichen Absichten«.
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Das Argument, man müsse die AfD politisch stellen, überzeugt aus Sicht der Rechtswissenschaftler nicht. »Die politische Auseinandersetzung erfordert zumindest, dass die Kontrahenten dieselben Regeln beachten«, heißt es in dem Expertenschreiben. »Die AfD agiert im Widerspruch zu den Maximen der Verfassung und delegitimiert die Demokratie. Das führt jegliche politische Auseinandersetzung ad
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absurdum, einem solchen Verhalten stehen demokratische Parteien faktisch machtlos gegenüber«.
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Zwar würden rechtsextreme Ansichten in der Gesellschaft durch ein Verbot nicht beseitigt, heißt es weiter. Ein Parteiverbot verhindere jedoch »auf überaus wirksame Weise, die weitere Unterhöhlung demokratischer Institutionen, auf die eine verfassungswidrige Partei in der Übergangsphase hin zu einem anderen politischen System notwendig angewiesen ist«.
Die Stellungnahme enthält eine Materialsammlung, die die verfassungsfeindliche Bestrebung der AfD untermauern soll. Darin finden sich Dutzende Social-Media-Beiträge, Aussagen aus Talkshows und von Parteitagen – abgesetzt oder getätigt von AfD-Politikern auf Landes- und auch Bundesebene.
Mitte November hatte eine Gruppe um den CDU-Abgeordneten Marc Wanderwitz einen Antrag für ein AfD-Verbotsverfahren eingereicht. Er zielt darauf ab, dass der Bundestag das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht einleitet. Der Bundestag zählt neben der Bundesregierung und dem Bundesrat zu den drei Verfassungsorganen, die dort einen Parteiverbotsantrag stellen können. Die rechtlichen Hürden für ein Parteiverbot sind jedoch hoch.
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- Durch das vorzeitige Ampel-Aus gerieten die Unterzeichner des Bundestags-Antrags unter Druck. Denn der eigentliche Verbotsantrag sollte vor der nächsten Bundestagswahl in Karlsruhe eingereicht und wenn möglich auch geprüft wird. Nachdem die nächste Bundestagswahl statt im kommenden September aber bereits am 23. Februar stattfinden soll, könnte ein entsprechendes Vorgehen sogar noch im Dezember im Parlament diskutiert werden.