Interesse unter den Erwartungen: Ausländische Fachkräfte verschmähen die Chancenkarte
Mit der Chancenkarte will die Bundesregierung ausländische Fachkräfte nach Deutschland locken, auch wenn diese noch kein konkretes Jobangebot vorliegen haben. Bisher hält sich das Interesse allerdings in Grenzen.
Die im Sommer gestartete Chancenkarte für die Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte stößt bislang auf verhaltene Resonanz. Wie die "Bild"-Zeitung unter Berufung auf Zahlen des Bundesinnenministeriums (BMI) berichtet, haben seit ihrer Einführung im Juni bis Ende September knapp 2360 Ausländer einen Antrag auf die Karte gestellt. Das entspricht im Monat rund 590 Anträgen. Die Bundesregierung sei eigentlich von 2500 Anträgen pro Monat und insgesamt 10.000 Anträgen in dem Zeitraum ausgegangen, hieß es.
Die Chancenkarte ist Teil des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes und richtet sich an Menschen, die nicht aus der Europäischen Union stammen. Wer sie erhält, kann auch ohne Nachweis eines festen Arbeitsvertrags nach Deutschland einreisen und ein Jahr lang für die Arbeitssuche bleiben. Bewerberinnen und Bewerber auf die Chancenkarte müssen Grundvoraussetzungen wie grundlegende Deutschkenntnisse oder sehr gute Englischkenntnisse und eine mindestens zweijährige Berufsausbildung oder einen im Herkunftsland anerkannten Hochschulabschluss vorweisen. Für die Arbeitssuche in Deutschland muss außerdem ihr Lebensunterhalt gesichert sein.
Wirtschaft vermisst "Willkommenskultur"
Dem Bericht zufolge wurden 15 Prozent der Anträge abgelehnt. Demnach wurden von den deutschen Behörden 2052 Chancenkarten ausgegeben. Die meisten Antragsteller kamen laut BMI aus Indien, China, der Türkei, Russland und Tunesien. Die Zahlen stammen laut der "Bild"-Zeitung aus einer Antwort an den Rechtsanwalt Sebastian Klaus, der die Veröffentlichung im Rahmen des Informationsfreiheitsgesetzes erstritten hatte.
Die Wirtschaft hatte die Einführung der Chancenkarte grundsätzlich begrüßt, aber von Beginn an Nachbesserungsbedarf angemeldet. Der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Peter Adrian, kritisierte die komplexen Voraussetzungen: "Ich glaube nicht, dass man mit dieser Variante viele Fachkräfte zu uns locken kann", sagte er im Juli der Deutschen Presse-Agentur. Zudem müsse an der "Willkommenskultur" gearbeitet werden. "Die Botschaft muss lauten: Wir freuen uns, euch hier in Deutschland begrüßen zu können." Das fange bei der Visa-Erteilung an und höre bei der Bereitstellung von Wohnung und Kinderbetreuung auf.