Jede Menge Wut, Trost und Trotz im deutsch-türkischen Drama „Ellbogen“
Hazal hat keinen Bock mehr auf die Ablehnung. Die Wut bricht aus ihr heraus. Und dann haut sie ab. Schonungslos ungeschönt bringt Aslı Özarslan den Roman „Ellbogen“ von Fatma Aydemir auf die Leinwand.
Wut, Frust, Trotz – all das spiegelt sich in Hazals braunen Augen. „Was, wenn ich anhalte und die Schnecken mich fressen lasse?“, fragt die junge Berlinerin (Melia Kara) mit türkischen Eltern in der Romanverfilmung „Ellbogen“. Doch sie hält nicht an. Sie rennt und stößt dabei dauernd gegen Wände gesellschaftlicher Ablehnung. Von der Auto-Korrektur, die ihren Namen nicht kennt, bis zum Türsteher, der ihre Freundinnen und sie an ihrem 18. Geburtstag abweist. Eine folgenschwere Nacht. Ein Ausbruch. Ein Ticket nach Istanbul. Dort dürfte ja alles anders sein, oder?
Vielleicht kommt Hazal in der Türkei in Clubs, aber einen Job sucht sie hier genauso vergebens wie einen Ausbildungsplatz in Berlin. Was ihr an den Kopf geworfen wird, ändert sich von „hier in Deutschland gibt’s Regeln“ und „wenn du vorhast zu bleiben“ zu „ihr Deutsch-Türken seid manchmal naiv“.
„Ellbogen“ zeigt 86 Minuten lang rohe Realität, gepaart mit reueloser Ehrlichkeit. Ein Film ohne Kompromisse, der aufwühlt und entlarvt. Als Regisseurin Aslı Özarslan den 2017 erschienenen Roman von Fatma Aydemir zum ersten Mal las, war für sie klar: „Ich wollte konsequent nur ihren Blick auf die Welt zeigen. Mit all ihren Ambivalenzen, ihrer Wut, ohne sie erklären oder verteidigen zu müssen. Sie sollte einfach sein dürfen“, erklärt die 38-jährige gebürtige Berlinerin im Vorfeld zum Kinostart.
Startschuss für eine große Schauspielerkarriere?
Die Identitätskrise, die häufig in Coming-of-Age-Geschichten im Vordergrund steht, ist hier beinahe nebensächlich. Die selbstbewusste Hazal sucht weniger nach sich selbst, sondern vielmehr nach einer Chance und nach einem Platz in der Welt. Sie steht zu ihren Entscheidungen, bereut es augenscheinlich nur, wenn sie in seltenen Momenten versucht, sich zu verbiegen.
Dass Özarslan studierte Dokumentarfilmerin ist, zeichnet sich aus: Auch im Spielfilm bleibt die spürbare Nähe zur Figur erhalten. Die Kamera begleitet Hazal, gibt ihr viel Raum. Hauptdarstellerin und Berlinerin Melia Kara, die in einem Streetcasting entdeckt wurde, liefert in ihrem ersten großen Filmprojekt, der ab dem 5. September in den Kinos läuft, überzeugende Authentizität für einen komplexen Charakter.
dpa/dtj