TikTok-Trend Talahon: Rassistisches Klischee oder reale Gefahr? – „Wenn ein Deutscher es als Beleidigung sagt“

                                    Artikel von Marisa Lattemann und Maen Gesmat /Welt 
 
Sie stehen in der Fußgängerzone oder vor dem Bahnhof, die Miene grimmig, die Körperhaltung zum Angriff bereit – scheint es. So inszenieren sich die Talahons auf Social Media und gehen damit viral.

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Doch es sind nicht nur Schattenboxen, rasierte Kopfseiten und Gucci-Imitat-Taschen, die Talahons zu einem Meme-Begriff gemacht haben. Es ist der vermeintliche Einblick in eine Subkultur, die für die einen verbindend, für die anderen bedrohlich wirkt. Die Talahons sind längst politisch geworden.

Was ist ein Talahon?

Talahon ist der neue Trend-Begriff, der durch Social Media geistert. Erkennbar ist ein Talahon demnach an der Cap (am besten von Gucci), der Bauchtasche (am besten auch von Gucci) und der Jeans oder Jogginghose – Marke egal. Der Begriff „Talahon“ stammt vom arabischen „Ta’al La’hon“. Das bedeutet so viel wie „komm mal her“, jedoch eher als freundliche Einladung gemeint, nicht als Pöbel-Anmache. Anders, als es in dem Track von Rapper Hassan aus Hagen gemeint ist, in dem es heißt: „Talahon, ich geb’ dir einen Stich, ich bin der Patron.“

Mit diesem Song des Rappers mit kurdisch-syrischen Wurzeln sind die meisten der Talahon-Videos unterlegt. Mit der Vape in der Hand boxen Jugendliche Schatten, manche zelebrieren ein rückwärtsgewandtes Frauenbild. Das passiert nur durch einzelne, doch es lässt einige, die den Begriff verwenden, auf eine ganze Kategorie junger Männer schließen.

Der Talahon-Trend wird kritisiert und mittlerweile von rechten Lagern zur Stigmatisierung einer ganzen Gruppe verwendet. Die meisten der Talahons im Internet haben, zumindest dem Anschein nach, einen arabischen Migrationshintergrund – ein gefundenes Fressen für rechte Communitys, die durch diesen Trend ihr Bild von solchen Jugendlichen bestätigt sehen. Was also als Selbstbezeichnung für oft minderjährige Jugendliche mit einer Vorliebe für materielle Statussymbole und Gangsta-Rap im Internet begonnen hat, ist in kurzer Zeit zum bedrohlichen Feindbild geworden.

Vom Social-Media-Trend zum politischen Zündstoff

Rechtskonservative Instagram-Accounts fordern die Abschiebung aller Talahons, die AfD-Landesfraktion in Baden-Württemberg nutzt den Begriff Talahon mit Hashtag in einem Post über kriminelle Migranten – untermalt mit dem Song „L’Amour toujours“. Sollte man dieses Wort also weiterhin verwenden? Oder ist es stigmatisierend und sogar rassistisch? Wir haben nachgefragt, was die Menschen darüber denken. Eine der Befragten ist sich sicher: „Dadurch, dass der Begriff auf Menschen mit vermeintlichem Migrationshintergrund zurückgeführt wird, finde ich es sehr problematisch. Weil es nur ein weiterer Vorwand ist, Leute negativ zu betiteln und abzustempeln.“

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                                                    Talahon“ im Fokus: Jugendkultur oder rassistische Stigmatisierung? © IMAGO/Michael Gstettenbauer

Ein anderer sagt: „Wenn ich als Talahon bezeichnet werden würde, wäre ich nicht erfreut.“ Es sei schon ein negativ konnotierter Begriff. Rassistisch findet er ihn aber nicht unbedingt. Sie nutzen die Bezeichnung auch untereinander, erklärt er. Ein anderer findet, es kommt darauf an, in welchem Kontext das Wort gesagt wird. „Wenn ein Deutscher es als Beleidigung sagt“, dann ist es rassistisch. Für ihn ist „Talahon“ aber eher ein Klamottenstil. „Das kann auch verbinden, man sollte niemanden deswegen abstempeln.“

Experte warnt: Wann der Begriff „Talahon“ rassistisch wird

Jannik Veenhuis, Experte für antimuslimischen Rassismus, sagte unserer Redaktion dazu: „Es gibt sicherlich Momente, wo der Begriff Talahon nicht rassistisch verwendet wird. Beispielsweise als ironische Selbstbezeichnung von irgendwelchen halbstarken Jungs, die über die Straße ziehen. Wenn sich andere aber darüber lustig machen, kann es sehr schnell rassistisch werden. Wenn es dann auf einmal ein Begriff ist, den wir für alle Menschen mit sichtbarer Migrationsgeschichte verwenden und uns über deren Dummheit und Grobheit lustig machen, dann ist das rassistisch.“