Gastbeitrag von Ahmad Mansour - Nach Messer-Angriff: „Wir feiern Multikulti-Gesellschaft, ohne Spielregeln festzulegen

                                                                 Geschichte von Von FOCUS-online-Autor Ahmad Mansour

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                                                          Dieter Leder/dpa © Dieter Leder/dpa
 

Nach dem für einen Polizisten tödlichen Messer-Angriff von Mannheim wird wieder über Islamismus und die Gefahren durch den politischen Islam diskutiert. Unser Gastautor Ahmad Mansour meint, es gebe eine Unfähigkeit des Westens, seine eigenen Werte selbstbewusst zu kommunizieren und zu verteidigen.

Als ich nach Deutschland kam, fand ich ein Land vor, das mir Freiheit und Sicherheit bot. Hier lernte ich, mich selbst zu entfalten, mündig zu werden, selbstbestimmt zu leben und Verantwortung zu übernehmen. Ich lernte, meine eigenen Gedanken zu formulieren und zu artikulieren. Ich fand hier, was in den patriarchalischen und islamistischen Strukturen meiner alten Heimat nicht möglich war. All das sind Resultate der Aufklärung, all das ist verankert im Grundgesetz. Wer sein Land verlässt, um hier bei uns in Sicherheit, Wohlstand und Freiheit zu leben, muss verstehen, dass das im Gesamtpaket kommt! Keine Sicherheit ohne Freiheit, kein Wohlstand ohne kritisches Denken und Mündigkeit. 

„In unserer Gesellschaft muss Angst haben, wer über den politischen Islam kritisch spricht“

Doch heute scheint Deutschland für mich und viele andere Menschen unsicher zu werden, vor allem für diejenigen, die sich kritisch mit dem Islam und Islamismus beschäftigen. Gewaltandrohungen gegen sie haben in besorgniserregender Weise zugenommen. Diesbezüglich hat sich die Debattenkultur in Deutschland verändert. In unserer Gesellschaft muss Angst haben, wer über muslimischen Antisemitismus, über Islamismus oder den politischen Islam kritisch spricht, oder gar auf der Seite Israels steht – nicht im Iran oder Gaza, sondern hier in Deutschland!

In unserer Gesellschaft muss Angst haben, wer über den politischen Islam kritisch spricht“

Doch heute scheint Deutschland für mich und viele andere Menschen unsicher zu werden, vor allem für diejenigen, die sich kritisch mit dem Islam und Islamismus beschäftigen. Gewaltandrohungen gegen sie haben in besorgniserregender Weise zugenommen. Diesbezüglich hat sich die Debattenkultur in Deutschland verändert. In unserer Gesellschaft muss Angst haben, wer über muslimischen Antisemitismus, über Islamismus oder den politischen Islam kritisch spricht, oder gar auf der Seite Israels steht – nicht im Iran oder Gaza, sondern hier in Deutschland!

Die Attacke auf Michael Stürzenberger, auf einen Polizisten und weitere Menschen in Mannheim zeigt erneut, wie gefährlich es geworden ist. Politisch motiviert, religiös ideologisiert, griff der Attentäter zur Selbstjustiz, tötete den Polizisten. Gesehen haben wir das schon vorher bei Charlie Hebdo oder dem Lehrer Samuel Paty in Frankreich, der seine Arbeit machte und das Thema Meinungsfreiheit in seiner Klasse mit muslimischen Schülern behandelte, oder bei Theo van Gogh in den Niederlanden.

Selbst wenn sich jemand wie Stürzenberger, am Rande und in Teilen außerhalb der Meinungsfreiheit bewegte, dann ist es in diesem Land Aufgabe der Sicherheitsbehörden, sich dessen anzunehmen und nicht in der Hand des selbstgerechten Rächers der angeblichen Wahrheit. Denn Freiheit und Sicherheit gehen Hand in Hand. Und der Garant dafür ist ein funktionierender Rechtsstaat auf der einen und eine gesunde Debattenkultur auf der anderen Seite. Doch stehen in Deutschland viele Personen, die sich kritisch mit dem Islam und Islamismus auseinandersetzen, permanent unter Polizeischutz. Islamkritiker leben gefährlich.    

Die Gründe dafür liegen vor allem in der Unfähigkeit des Westens, seine eigenen Werte selbstbewusst zu kommunizieren und zu verteidigen. Im Namen von Toleranz und Vielfalt entstand eine falsch verstandene Toleranz, die Unterschiede feiert, egal, wie sehr sie unseren Grundwerten widersprechen. Wir feiern eine Multikulti-Gesellschaft, ohne über die Herausforderungen zu reden, ohne die Spielregeln für alle festzulegen, ohne den Menschen, die bei uns leben wollen, klarzumachen: Wer auf Religionsfreiheit pocht, muss auch die Kritik an seiner Religion akzeptieren. Wer von morgens bis abends Toleranz fordert, muss in dieser Gesellschaft gleichzeitig Meinungen ertragen, die ihn und seine Religion hart angehen.    

Bei Problemen: Mehrheitsgesellschaft ist für alle Missstände verantwortlich

Doch in Politik und Medien werden solche Themen bewusst vermieden, weil die Beschäftigung damit die „Falschen“ unterstützen könnte. Viele haben Angst vor Shitstorms in den sozialen Medien oder davor, als Rassist und Islamhasser abgestempelt zu werden. Linke Ideologen, die durch Identitätspolitik und Postkolonialismus unterwandert wurden, lehnen solche Diskurse nicht nur ab, sondern bezeichnen jede kritische Auseinandersetzung mit Minderheiten wie Muslimen als „rassistisch“. Egal, ob es um Ausländerkriminalität, Islamismus, Parallelgesellschaften oder Clankriminalität geht. Und wenn darüber gesprochen wird, dann ist die Mehrheitsgesellschaft für alle Missstände verantwortlich.

Man behandelt diese Minderheiten wie unter Artenschutz, man schützt sie vor der eigenen Kritik, man entmündigt sie im Namen von Toleranz. Genau diese Methode ermöglicht es, Islamkritiker an den Pranger zu stellen. So werden sie zu Freiwild, zu Feinden der Demokratie, entmenschlicht, ohne dass sich wirklich mit ihren Thesen beschäftigt wird, und ohne einen Unterschied zu machen zwischen differenzierter, legitimer Kritik oder Kritik, die dazu dient, Hass zu schüren. Dabei vergisst man, dass die Grundlage unserer Aufklärung die Kritik und das Hinterfragen von Religionen, Kirchen und Autoritäten war.    

Um den Ursprung dessen besser zu verstehen, müssen wir die Hintermänner beleuchten – diejenigen, die durch Delegitimierungen und Diffamierungen solche Attacken erst möglich machen. Hinter solchen Attentätern steht eine große Industrie, die in den letzten Jahren viele Kritiker so lange diffamiert und verteufelt hat, bis viele von ihnen entmenschlicht wurden. Damit sind Akteure des politischen Islams gemeint, die überall agieren und ihre Kritik einschüchtern.

Erheben wir die Stimme, können wir die Extremisten in diesem Land zurückdrängen

Solche Islamisten mit akademischen Graden und Krawatten machen körperliche Angriffe von anderen auf Islamkritiker erst möglich. Sie treffen auf Jugendliche, die in Deutschland emotional nicht angekommen sind, die andere Wertesysteme in sich tragen, die antisemitisch, islamistisch sind und keine Widerworte dulden. Bestimmte Jugendkulturen und islamistische Gruppierungen greifen diese Themen auf, machen Identitätsangebote und werden dafür von ihren jugendlichen Anhängern gefeiert und anerkannt. Die internationale ideologische Dimension des Islamismus und die dahinterliegenden Strukturen dürfen nicht weiter ignoriert werden.    

Nur wenn mehr Menschen den Mut haben, ihre Stimme zu erheben, wenn Politik und Medien alle Facetten des Extremismus benennen und bekämpfen und wenn wir alle Haltung zeigen, können wir die Extremisten in diesem Land zurückdrängen. Die Meinungsfreiheit und die Demokratie zu verteidigen, ist unsere gemeinsame Aufgabe. Nur so werden wir die Freiheit und Sicherheit, die ich bei meiner Ankunft in Deutschland erlebte, bewahren können.