Israel-Gaza-Krieg: Joschka Fischer warnt vor einseitiger Sicht auf Pro-Palästina-Proteste
Von Spiegel
Joschka Fischer versteht das humanitäre Anliegen der Pro-Palästina-Demonstranten. Er warnt aber, wer die Hamas-Massaker in Israel am 7. Oktober und damit den Kriegsgrund ausblende, gerate »auf eine schiefe argumentative Bahn«.
Der frühere Außenminister Joschka Fischer (Grüne) hält die propalästinensischen Proteste an Hochschulen als politische Indikatoren für sehr ernstzunehmend. »Israel hat den Krieg der Meinungen um die Legitimation für den Staat Israel, das Recht, sich wehren zu dürfen, schon verloren«, sagte Fischer dem »Tagesspiegel« (Samstag).
Er könne die humanitären Anliegen hinter den propalästinensischen Protesten an Hochschulen gegen den Krieg in Gaza verstehen, so Fischer. »Aber das kann nicht dazu führen, dass man den Verstand ausschaltet. Und plötzlich auf der Seite der Hamas steht«, sagte er. »Bei allem legitimen Protest gegen diesen Krieg: Man darf nicht vergessen, was die Ursache war, nämlich der 7. Oktober. Wer das ausblendet, gerät auf eine schiefe argumentative Bahn
International wächst der Druck auf Israel derweil weiter. Spanien und Irland haben Israel zur sofortigen Beendigung des Militäreinsatzes in Rafah im Süden des Gazastreifens aufgefordert, wie es der Internationale Gerichtshof angeordnet hatte. Diese Maßnahmen seien obligatorisch, betonte Spaniens Außenminister José Manuel Albares am Samstag auf der Nachrichtenplattform X, vormals Twitter. Madrid fordere »auch einen Waffenstillstand, die Freilassung der Geiseln und humanitären Zugang. Das Leiden der Menschen im Gazastreifen und die Gewalt müssen ein Ende haben«.
Irlands Regierungschef Simon Harris bezeichnete die Fortsetzung der israelischen Militäroperationen in Rafah als »absolut verwerflich«. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu müsse sofort von der Offensive ablassen, so Harris.
Spanien gehört seit langem zu den schärfsten Kritikern in Europa am militärischen Vorgehen Israels in Gaza. Die linke Regierung in Madrid hatte bereits kurz nach dem Angriff der islamistischen Hamas auf Israel und dem Beginn der Militäraktionen in Gaza alle Waffenexporte nach Israel ausgesetzt. Am Mittwoch folgte die Ankündigung Spaniens, Norwegens und Irlands, einen palästinensischen Staat anerkennen zu wollen. Die Regierung von Ministerpräsident Netanyahu reagierte empört und bestellte die Botschafter der drei Länder ins Außenministerium ein, um ihnen eine Rüge zu erteilen.
Der diplomatische Konflikt zwischen Madrid und Tel Aviv spitzte sich am Freitag weiter zu, als Israel Einschränkungen für die Arbeit spanischer Diplomaten in dem Land verkündete. Demnach ist es der spanischen Botschaft in Tel Aviv und dem Generalkonsulat in Ost-Jerusalem künftig untersagt, ihre Dienste für Palästinenser aus dem von Israel besetzten Westjordanland anzubieten. Begründet wurde diese Maßnahme mit einer Äußerung der spanischen zweiten stellvertretenden Ministerpräsidentin Yolanda Díaz, die Außenminister Israel Katz als antisemitisch einstufte.
Die Politikerin hatte in einem auf X geposteten Video am Ende gesagt: »Palästina wird frei sein vom Fluss bis zum Meer.« Mit dem Satz ist gemeint, es solle ein freies Palästina geben auf einem Gebiet vom Fluss Jordan bis zum Mittelmeer – dort, wo sich jetzt Israel befindet. Die Formulierung ist umstritten, weil sie den palästinensischen Hoheitsanspruch ausdrückt und Israels Existenzrecht verneint.