Präsident Recep Tayyip Erdoğan, eigentlich Freund niedriger Zinsen, hat sich vollends umstimmen lassen. Auch unter dem neuen Zentralbankchef Fatih Karahan straffen die türkischen Währungshüter ihre Geldpolitik. Für nicht wenige Expertinnen und Experten kam das überraschend.
Zumal der Leitzins von 45 auf 50 Prozent angehoben wurde. Grund dafür ist vor allem die galoppierende Inflation im Land. „Der straffe geldpolitische Kurs wird so lange beibehalten, bis ein signifikanter und anhaltender Rückgang des zugrunde liegenden Trends der monatlichen Inflation zu beobachten ist“, hieß es folgerichtig in einer Mitteilung.
Alltagsleben in der Türkei kaum mehr zu finanzieren
Die offizielle Teuerungsrate erklomm im Februar wieder einmal neue Höhen und kletterte auf mehr als 67 Prozent. Für durchschnittlich verdienende Türkinnen und Türken, die Mittelschicht, ist das Alltagsleben kaum mehr zu finanzieren. Sie halten sich oft mit Kreditkarten und Ratenkäufen über Wasser. Bei Vielen sind zudem nun auch die Ersparnisse aufgebraucht. Der Zinsentscheid soll für eine Atempause sorgen – mit Erfolg.
Die kurzfristige Folge: Die türkische Lira legte nach Bekanntgabe der Zinsentscheidung zu. Der Dollar fiel um bis zu 0,9 Prozent auf 34,80 Lira, der Euro um rund 1 Prozent auf 35,15 türkische Lira. Die lange Talfahrt der Landeswährung scheint gestoppt. Sie war ein Grund für die hohe Inflation. Zinserhöhungen machen sie indes wieder attraktiver für Anlegerinnen und Anleger aus dem Ausland.
Zeitpunkt so kurz vor den Kommunalwahlen wohl kein Zufall
Die Zentralbank steht seit Kurzem unter neuer Leitung. Der neue Chef Fatih Karahan knüpft mit dem nun veranlassten Schritt nahtlos an die Strategie seiner Vorgängerin Hafize Gaye Erkan an. Sie hatte die Zinsen seit ihrem Amtsantritt im Juni 2023 massiv angehoben, konnte aber nur wenige Erfolge verbuchen. Zuvor hatte Karahan den Zinssatz noch bei 45 Prozent belassen.
Der Zeitpunkt der Leitzinserhöhung ist wohl terminiert. Denn dass in Kürze landesweit Kommunalwahlen stattfinden, scheint kein Zufall zu sein. Im Gegenteil: Bei den Wahlen versucht die AKP, Städte wie Istanbul zurückzuerobern. Dafür scheint der Regierung unter Erdoğan jedes Mittel recht zu sein. Nach der Wahl, so erwarten es Expertinnen und Experten, dürfte wieder eine restriktivere Finanzpolitik umgesetzt werden – mit negativen Folgen für die Wirtschaft.