„Wir versagen bei der Integration der zugewanderten Migrantinnen und Migranten in weiten Bereichen“
Von Welt
Der frühere SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hat einen neuen Kurs in der deutschen Migrationspolitik angemahnt. Die demokratischen Parteien scheuten sich, dieses Thema wirklich anzupacken – auch, weil sie Angst davor hätten, „dass sie damit zu nahe an die AfD kommen“.
Bei der Integration von Migranten geht aus Sicht des früheren SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel vieles schief. „Die Menschen sind ja nicht blind und sehen, dass Europa auf der einen Seite seine Außengrenze nicht wirksam schützt und wir andererseits bei der Integration der hier zugewanderten Migrantinnen und Migranten in weiten Bereichen versagen. Die Ergebnisse der gerade veröffentlichten Bildungsstudie Pisa sind ja einer der vielen Belege dafür“, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.
In der Anfang Dezember veröffentlichten Studie hatten die 15- und 16-Jährigen in Deutschland im Lesen, in Mathematik und in Naturwissenschaften die schwächsten Leistungswerte erreicht, die für die Bundesrepublik jemals im Rahmen von Pisa gemessen wurden.
Gabriel mahnte vor der Europawahl im kommenden Jahr einen neuen Kurs in der Migrationspolitik in Deutschland an. „Je weniger die demokratischen Parteien aufgeklärt und ohne Wahlkampfgetöse über dieses schwierige Thema reden, desto einfacher wird es für die AfD. Denn für sehr viele Menschen in Deutschland ist das Thema Migration ein Symbol für wachsende Unsicherheit“, sagte er. Von Januar bis November 2023 haben in Deutschland knapp 305.000 Menschen erstmals einen Asylantrag gestellt – im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ein Plus von etwa 60 Prozent.
Die demokratischen Parteien scheuten sich, dieses Thema wirklich anzupacken, sagte der frühere Vizekanzler. „Einerseits, weil es keine „Bilderbuchlösungen“ gibt und vieles auch Härten erfordert, die uns aus menschlichen Gründen schwerfallen. Und andererseits, weil die Parteien Angst davor haben, dass sie damit zu nahe an die AfD kommen.“
Die EU-Staaten und das Europaparlament hatten sich vor Weihnachten auf einheitliche Verfahren an den europäischen Außengrenzen geeinigt. Geplant ist ein deutlich härterer Umgang mit Menschen aus Ländern, die als relativ sicher gelten. Die Verteilung von Flüchtlingen auf die EU-Staaten wird neu geregelt – statt Aufnahme ist etwa auch eine Geldzahlung möglich. Die Ampel-Fraktionen im Bundestag hatten sich zudem auf einen Kompromiss zu zwei Gesetzentwürfen für erleichterte Abschiebungen und schnellere Einbürgerungen geeinigt.