Bürgergeld-Erhöhung ab 2024 „für jeden Angestellten ein Schlag ins Gesicht“

Von M Merkur.de

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Bild dpa

Die Niedriglohnbranche moniert die Bürgergeld-Erhöhung im neuen Jahr. Viele Bewerber nur schwarz arbeiten wollen, damit das Geld vom Staat weiter kommt.

München – Noch vor der Haushalts-Einigung der Ampel-Koalition ist bereits ein heftiger Streit über die Bürgergeld-Erhöhung im kommenden Jahr entbrannt. Unternehmer schlagen Alarm, weil der geringe Lohnabstand zum Bürgergeld die Personalnot in Niedriglohnbranchen so sehr verschärft, dass es bei vielen Unternehmen existenzbedrohende Züge annimmt. Besonders betroffen, sind Betriebe wie Bäckereien, Reinigungsunternehmen sowie das Gastronomie- und Hotelgewerbe, die keine neuen Arbeitskräfte finden.

 

Laut Angaben der Bundesagentur für Arbeit aktuell 3,9 Millionen Empfänger des Bürgergelds in Deutschland gibt, die erwerbsfähig wären. Allerdings muss man hier Abstriche machen, weil nicht alle Bürgergeld-Empfänger uneingeschränkt im Arbeitsmarkt tätig sein können. Viele von ihnen haben mit körperlichen oder psychischen Krankheiten bzw. Problemen zu kämpfen, die für eine dauerhafte Vollzeitanstellung hinderlich sind.

Bürgergeld-Streit: Selbst Trigema-Chef Wolfgang Grupp meldet sich beim Personalmangel zu Wort

Auch der Wolfgang Grupp hat kurz vor seiner Rente nicht nur zu einem Rundumschlag ausgeholt und sich dabei, auch zum Streit um das Bürgergeld geäußert. „Auch wir spüren den Personalmangel“, sagte der Trigema-Chef im Interview mit focus online. „Aus meiner Sicht sollten Anpassungen von der Politik vorgenommen werden, denn ich höre immer wieder, dass etwa das Bürgergeld so hoch ist, dass sich Arbeit nicht mehr lohnt. Solche Sätze dürfen nicht fallen.“ 

Darüber hinaus nahm er die Ampel-Koalition in die Pflicht. „Wenn jemand fünf oder zehn Stunden mehr arbeiten möchte, muss die Politik dafür sorgen, dass die Abzüge so gestaltet sind, dass sich die Arbeit auch lohnt. Hier muss die Politik schneller und flexibler reagieren, auch wenn ein Rentner noch arbeiten will“, so Grupp weiter.

Streit um die Bürgergeld-Erhöhung: Trotz Personalmangels wollen Empfänger lieber schwarz arbeiten

Nichtsdestoweniger gibt es auch weitere Gründe, weshalb Bürgergeld-Empfänger nicht in eine Festanstellung in einer Niedriglohnbranche eintreten wollen. Viele von ihnen wollen lieber Schwarzarbeit machen, weil sie befürchten, ihre Ansprüche auf das Bürgergeld zu verlieren.

Das deckt mit einem Facebook-Post von Katja Vogt, der vor Kurzem auf Facebook 3,9 Millionen Mal geklickt wurde. „Seit Monaten haben wir gekürzte Öffnungszeiten, dabei wäre genug Arbeit da. Wir brauchen Personal!“, schrieb die Inhaberin der Vinothek Refugio in Unna. „Doch es bewerben sich ausschließlich Leute, die schwarzarbeiten wollen, um ihre staatliche Unterstützung nicht zu verlieren. Bei uns nimmt das langsam existenzbedrohende Züge an.“ 

„Ein Schlag ins Gesicht“: Bürgergeld-Empfänger verdienen bis zu 500 Euro mehr als Festangestellte

Dabei haben ihr die möglichen Bewerber laut des Handelsblatts vorgerechnet, wie viel Geld diese vom Staat erhielten und was sie sich mit einem kleinen Nebenjob und Schwarzarbeit noch dazu verdienen könnten. Da kam 400 bis 500 Euro im Monat mehr raus, als ein Festangestellter, der von Montag bis Freitag arbeitete. „Die Erhöhung des Bürgergelds ab Januar ist für jeden Angestellten ein Schlag ins Gesicht“, moniert Vogt beim Handelsblatt und fügt an: „Die Ehrlichen sind die Dummen.“

Bei Spiegel Online schildert Volkmar Woite ähnliche Erfahrungen. Seine Fleischerei ist in Brandenburg aufgrund seines 100-jährigen Bestehens ein echtes Traditionsunternehmen. Doch der Betrieb, dessen Führung sein Sohn übernommen hat, sucht händeringend nach Personal hinter der Theke und für den Partyservice. Neben nicht erreichbaren Bewerbern hätten sich vier weitere bei ihm gemeldet, „die wollten arbeiten – aber nur schwarz, neben dem Bürgergeld“, sagte er zu Spiegel Online. Weil ihnen das Geld vom Staat sonst abgezogen würde.

Bürgergeld-Erhöhung 2024: CDU lässt ihre Kritik immer wieder aufleben

Genau diese Aussagen sind es, die jüngst der CDU auch während der Haushaltskrise die Möglichkeit gegeben haben, weiteres Öl ins Feuer zu gießen, um die Debatte über die Bürgergeld-Erhöhung 2024 neu zu entfachen. An vorderster Front im Streit um das Bürgergeld befindet sich der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz. Gekürzt werden müsse jetzt halt beim Bürgergeld, „es geht eben nicht mehr alles“, so der CDU-Chef, bevor ihn CDU-geführten Länder bei der Bürgergeld-Erhöhung im Stich gelassen hatten.

Neben Merz haben sich auch unlängst CDU-Spitzenleute wie der Generalsekretär Carsten Linnemann bei der Bild oder im Fernsehen in die Diskussion eingemischt, obwohl die Kürzung des Bürgergeldes für 2024 unmöglich ist. Die Ampel verletze mit dem Bürgergeld das Lohnabstandsgebot, verhätschele die Faulen und verhöhne die Fleißigen, wettern die Unionsspitzenleute seit Monaten. Wer wolle noch malochen, solange es Geld vom Staat ganz ohne Anstrengung gibt?

 

„Unanständige Debatte“: Sozialverband über Diskussion zur Bürgergeld-Erhöhung empört

Auf Anfrage hat die Vorsitzende des Sozialverbands Deutschland (SoVD), Michaela Engelmeier, empört reagiert: „Diese Debatte ist unanständig: Streicht man jetzt die Anhebung, dann beschneidet man das absolute Minimum, was Menschen zum Leben brauchen.“ Das Existenzminimum sei nicht verhandelbar, eine Kürzung wäre mit dem Grundgesetz unvereinbar.

„Wie sich seit 2022 die Preise entwickelt haben, kann jeder täglich im Supermarkt sehen. Ärmere Haushalte sind stärker durch die Inflation belastet, weil sie einen größeren Teil ihres Budgets für Nahrung ausgeben. Die Inflation lag hier teilweise bei über 12 Prozent“, sagte sie gegenüber IPPEN.MEDIA weiter. An der Erhöhung dürfe „nicht gerüttelt“ werden.

Bürgergeld-Erhöhung von zwölf Prozent in 2024: „Welcher Arbeitnehmer hat solche Lohnsteigerungen“

Das hält Jens Spahn aber nicht davon ab, die Frage zu stellen, ob sich Arbeit überhaupt noch lohnt. Der ehemalige Gesundheitsminister wettert gegen die Ampel und bezeichnet Deutschland als „Freizeitpark“ und plädiert für längere Arbeitszeiten sowie die Reformierung des Bürgergeldes. Dabei müssen auch Bürgergeld-Empfänger durch die Haushaltskrise im nächsten Jahr Sparmaßnahmen hinnehmen. Immerhin wird ihnen in 2024 ein Bonus gekürzt.

Dennoch werden Merz und die Union wohl weiterhin im Hinblick auf die Bürgergeld-Erhöhung von zwölf Prozent ab 2024 die Frage in den Raum stellen, welcher „Arbeitnehmer solche Lohnsteigerungen“ habe. Auch wenn die Ampel erneut am Bürgergeld schraubt.