Wo die unhöflichsten Deutschen leben und wo die nettesten

Ein britisches Marktforschungsinstitut hat für Deutschlands Großstädte ein Höflichkeits-Ranking erstellt. Ein Ergebnis daraus: Berlin schneidet schlecht, aber nicht am schlechtesten ab. Die größten Überraschungen liefern allerdings das Ruhrgebiet und Sachsen.

Kapuze, Kopfhörer, Handy und ein gesenkter Blick – es kostet zumindest ein wenig Überwindung, die junge Frau anzusprechen

Reiseredakteuri

 

 

Kapuze, Kopfhörer, Handy und ein gesenkter Blick – es kostet zumindest ein wenig Überwindung, die junge Frau anzusprechen

Kapuze, Kopfhörer, Handy und ein gesenkter Blick – es kostet zumindest ein wenig Überwindung, die junge Frau anzusprechen
Quelle: Getty Images/Annette Birkenfeld

In welchen deutschen Großstädten wird man nicht an jeder Straßenecke angerempelt? Wo in Deutschland bekommt man auf höfliche Fragen nur patzige oder gar keine Antworten? In welcher Kommune herrscht noch so etwas wie ziviler Grundanstand?

Solchen und anderen Fragen ging die britische Marktforschungsberatung Censuswide nach, um zu ermitteln, welche deutschen Städte die höflichsten und die unhöflichsten sind. Die Studie erfolgte im Auftrag von Preply, einer internationalen E-Learning-Plattform für Fremdsprachen.

Das Start-up wollte seinen Nutzern Informationen an die Hand geben, wo sie in der Bundesrepublik weniger Hemmungen haben müssen, ihre Fremdsprachenkenntnisse anzuwenden. Das Ergebnis: Ein besonders gutes Umfeld bietet offenbar Bochum, denn es schnitt im Ranking als höflichste Stadt ab.

„Wir Amis haben eine große Furcht vor Unbekanntem“

Mit dem multikulturellen Hintergrund der einstigen Bergarbeiterstadt hat das offenbar kaum etwas zu tun. Denn nur wenige Bahn-Minuten vom höflichen Bochum entfernt, liegt die unhöflichste deutsche Kommune – die ebenfalls migrantisch geprägte Zechenstadt Essen.

Auf Platz 4 und 5 der unhöflichsten Großstädte folgen Köln und Dortmund, womit insgesamt drei NRW-Kommunen in den Top-Five des Negativ-Rankings sind.

Die Lage der Stadt bestimmt das Verhalten nicht

Dass es einen Zusammenhang zwischen der geografischen Lage der Städte und dem Verhalten ihrer Bewohner gibt, glauben die Meinungsforscher allerdings nicht. Als Beleg verweisen sie auf zwei sächsische Großstädte, die wie Bochum und Essen in puncto Höflichkeit diametral abschneiden.

So gelten die Dresdner als sehr unhöflich (Platz 2 im Negativ-Ranking) und die Leipziger als tendenziell höflich (Platz 7 der Positivliste); zwischen beiden Sachsen-Kommunen liegen damit immerhin zehn Plätze im 19 Städte umfassenden Gesamtklassement.

Die Ergebnisse der Studie fußen auf der Befragung von 1525 Teilnehmern. Ihnen wurde von den Londoner Meinungsforschern eine Liste mit zwölf negativen Verhaltensweisen deutscher Großstädter vorgelegt: „In der Öffentlichkeit mit dem Handy beschäftigt sein“, „Menschen nicht in der Öffentlichkeit durchlassen“; „In der Nähe von Fußgängern nicht abbremsen“; „Lärmen in der Öffentlichkeit“; „Fremden keine Beachtung schenken“; „In der Öffentlichkeit Videos ansehen“; „In der Öffentlichkeit mit Lautsprecher telefonieren“; „Verschlossene Körpersprache“; „Den persönlichen Raum nicht respektieren“; „Unhöflichkeit gegenüber dem Servicepersonal“; „Kein Trinkgeld geben“; „Sich in Warteschlangen vordrängeln“.

In der Annahme, dass es in Großstädten deutlich rüder zugeht als in kleinen Orten mit mehr sozialer Kontrolle, wurden für die Studie nur solche Probanden zugelassen, die über einschlägige Erfahrungen verfügen, sprich, die seit mindestens zwölf Monaten in einer der 19 größten Städte wohnen – und auch nur die „Höflichkeitswerte“ dieser Kommunen wurden ermittelt.

Dafür mussten die Studienteilnehmer mittels der vorgegebenen Verhaltensweisen bewerten, wie höflich die Menschen in ihrer Stadt sind – und jeweils einen Skalenwert von eins bis zehn ankreuzen (eins = am höflichsten, zehn = am unhöflichsten).

Bochum und Essen liegen an der Spitze

Bezogen auf den Durchschnittswert aller untersuchten Metropolen von 5,84 haben zehn Kommunen eine niedrigere Punktzahl und gelten damit als höflicher; konkret sind das neben dem erstplatzierten Bochum, Bremen, Hannover, Nürnberg, Bonn, Münster, Leipzig, Düsseldorf, Hamburg und Duisburg (Platz 10).

Neun Städte erzielten ein Ergebnis über 5,84, das heißt, sie kamen in der Wahrnehmung der Probanden schlechter weg – sie sind also noch unhöflicher. So landeten neben Essen (Platz 1), Dresden, Frankfurt und Köln auch Dortmund, München, Berlin, Stuttgart und Bielefeld (Platz 9) im Negativ-Ranking.

Die britischen Meinungsforscher filterten noch mehr aus dem Datenwust, etwa, welche unhöflichen Verhaltensweisen in Deutschland dominieren. Und das sind demnach: In der Öffentlichkeit mit dem Handy spielen, Fremde missachten, in der Öffentlichkeit lärmen und Videos ansehen. Besonders weitverbreitet sind diese Untugenden in Essen, Köln und Dresden.

Auch auf die Frage, wo die großzügigsten und die geizigsten Deutschen leben, finden sich Antworten in der Studie; die Sprachlernplattform Preply fasste sie für ihre Nutzer zusammen: „Bremen ist mit Abstand die großzügigste Stadt Deutschlands. Wenn du im Gastgewerbe arbeitest, solltest du also darüber nachdenken, dort einen Job zu suchen. Aber erwarte nicht zu viel Dankbarkeit, wenn du in Dresden kellnerst.“ Der Grund: In der sächsischen Landeshauptstadt fallen die Trinkgelder am niedrigsten aus.

Und noch einen Tipp gibt Preply seinen Sprachschülern mit auf den Weg: „Die Deutschen umgehen normalerweise keine Warteschlangen, sondern warten geduldig, bis sie an der Reihe sind.“ Je länger die Schlange, umso leichter sei es, Kontakte zu knüpfen – und die Deutschkenntnisse zu erweitern.