Fridays for Future: Nicht alle wollen sich von Greta Thunberg abgrenzen
Für Fridays for Future gehören Klimaschutz und Menschenrechte zusammen. Einige prominente Vertreter der Bewegung haben deshalb zum Beispiel eine „politische Patenschaft“ für Umwelt-Aktivisten übernommen, die in Iran im Gefängnis sind. Neben Luisa Neubauer und der Bundessprecherin Pauline Brünger trat vor gut zwei Monaten auch Elisa Baş als Patin für einen Inhaftierten auf. In einer Pressemitteilung hieß es: „Klimaschutz und Menschenrechte können nicht separat behandelt werden, denn es ist die Klimakrise, die durch ihre Folgen weltweit Menschenrechte gefährdet.“
Das, was die 22 Jahre alte Aktivistin Baş mittlerweile offenbar für Einsatz für die Menschenrechte hält, dürfte nun aber zu ihrem Ausschluss aus der Klimabewegung führen. Mehrfach warf sie Israel vor, einen „Genozid“ in Gaza zu begehen, und Josef Schuster, dem Präsidenten des Zentralrats der Juden, hierzulande eine „Pogrom-Stimmung“ gegen Palästinenser anzuheizen. Auf Instagram verbreitet Baş grausame Videos, die israelische Kriegsverbrechen zeigen sollen, wettert gegen behördliche Demonstrationsverbote in Deutschland und ruft zur Teilnahme an Veranstaltungen auf, deren Organisatoren sich bemühten, diese „so friedlich wie möglich“ zu gestalten.
Bundessprecherin Brünger will sich nicht zu einem „laufenden Verfahren“ gegen Baş äußern. Auch wie viele solcher und ähnlicher Verfahren laufen, will sie nicht sagen – als letztes Mittel seien Ausschlüsse „vergleichsweise selten“. Andere Aktivisten erwarten, dass Baş bald ausgeschlossen wird. Dafür ist bei Fridays for Future ein eigenes Gremium verantwortlich. Dessen Mitglieder werden durch die Ortsgruppen von Fridays for Future gewählt. Unabhängig von der Größe hat jede Ortsgruppe dabei eine Stimme.
Kritik vom Antisemitismus-Beauftragten
Während Fridays for Future gegen deutsche Aktivisten also vorgehen kann, ist die internationale Zusammenarbeit aktuell schwierig. Besonders die Abgrenzung zu Greta Thunberg bindet gerade viele Kapazitäten. Die Begründerin der Schulstreikbewegung hatte mit einem Schild posiert, auf dem „Stand with Gaza“ stand, wenig später skandierte die junge Frau bei einer Demonstration in Amsterdam: „Auf besetztem Land gibt es keine Klimagerechtigkeit!“
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, kritisierte die Aussagen als einseitig und israelfeindlich. Diese seien, sagte er dem „Spiegel“, „durch die verklausulierte Aberkennung des Existenzrechts Israels auch antisemitisch“. Die deutschen Aktivisten versuchen seither, auf Distanz zu gehen, und stellen sich offensiv gegen Judenfeindlichkeit. Luisa Neubauer sagte einen „Klimadialog“ in Magdeburg ab, um auf Einladung der jüdischen Gemeinde in Hamburg am 9. November bei einer Gedenkveranstaltung zu sprechen. Schon zuvor hatte Fridays for Future Deutschland eine Mitteilung verschickt, in der stand: „Wir sind uneingeschränkt solidarisch mit Jüdinnen und Juden, die weltweit und auch hier antisemitische Gewalt erleben.“
Die deutschen Aktivisten haben die Sorge, stets in Mithaftung für die Äußerungen von anderen genommen zu werden. Dabei ist die internationale Zusammenarbeit auch nach Jahren gemeinsamer Streiks eher lose. Absprachen treffen oft diejenigen, die sich besonders engagieren. Fridays for Future ist kein Verband mit nationalen Teilverbänden, sondern fast durchgängig eine Bewegung, in der sich junge Menschen ehrenamtlich einbringen.
Deutsche Aktivisten weisen außerdem darauf hin, dass außerhalb Deutschlands, der Schweiz und Österreichs die Klimastreiks mittlerweile nur noch überschaubar viele Menschen auf die Straße bringen. Die Forderung, den Namen zu wechseln, um nicht mehr mit Greta Thunberg in Verbindung gebracht zu werden, lehnen sie bisher ab. Mit Thunberg zusammen demonstrieren würden sie aber nicht mehr, sagt eine Aktivistin aus dem Saarland. „Insbesondere als deutsche Ortsgruppe sehen wir uns in der Verantwortung, gegen Rassismus und gegen Antisemitismus vorzugehen“, heißt es von Aktivisten aus Bonn.
Hessische Gruppe stellt sich hinter Thunberg
Doch es gibt auch andere Stimmen. Vertreter aus Fritzlar in Hessen teilten der F.A.Z. mit, ihre Ortsgruppe stehe „hinter Greta Thunberg, spezifisch auch hinter ihrem Einsatz für die Palästinenser:Innen“. Der Bundesebene wirft die Ortsgruppe eine „Spaltung“ der Klimabewegung vor. Die Diskussion über Thunbergs Äußerungen beeinflusse ihre Arbeit vor Ort aber ohnehin kaum. Die Aktivisten aus Fritzlar betonen allerdings auch: „Für uns ist klar, dass wir sowohl gegen den Terror der Hamas, als auch gegen jeden Antisemitismus stehen.“
Vertreter der Bundesebene hingegen weisen darauf hin, dass derzeit alle Abstimmungsprozesse mit Aktivisten anderer Länder ausgesetzt seien. Dazu zählte bisher etwa die Festlegung der Termine für den „globalen Klimastreik“. Diesem Beschluss hätten die Ortsgruppen „mit klarer Mehrheit“ zugestimmt, sagte eine Bundessprecherin der F.A.Z. Der Beschluss gelte für alle Akteure, „die im Namen oder als Teil von Fridays for Future Deutschland handeln.“
Eigentlich, das sagen alle Aktivisten, würden sie gerade lieber über das Klima sprechen. Aber Bundessprecherin Brünger macht sich keine Illusionen, dass das auf der am Donnerstag beginnenden Weltklimakonferenz möglich sein wird. Ein paar Aktivisten von Fridays for Future werden dorthin reisen. Für sie stellen sich dann jede Menge Fragen. Mit wem wollen sie gemeinsam protestieren? Wie viel sollen Klimaaktivisten zum Nahostkonflikt sagen? „Für uns ist diese Klimakonferenz so kompliziert wie nie zuvor“, sagt Brünger und versichert, das Bekenntnis gegen Antisemitismus werde auch in Dubai gelten. Aber die gute Handvoll deutscher Aktivisten wird sich auf der Konferenz in einer Minderheitenposition befinden.
Brünger nimmt an, dass die Verknüpfung von klimapolitischen Forderungen mit Statements zum Terror der Hamas und Israels kriegerische Reaktion darauf auf der Klimakonferenz unvermeidbar sein wird. „In vielen internationalen
progressiven Bewegungen steht das Leid der Palästinenser im Mittelpunkt, das gilt auch für die internationale Klimabewegung. Insofern steht Greta da nicht alleine.“ Wie die deutschen Verhandler nicht nur mit Staaten sprechen könnten, mit denen man dieselben Werte teile, müssten auch Aktivisten einen Weg finden, „Fortschritte für den Klimaschutz zu erreichen“.