Türkische Gemeinde in Deutschland appelliert an Politik und Medien: Hören Sie auf, bestehende Probleme zu migrantisieren!

 

 

Türkische Gemeinde in Deutschland appelliert an Politik und Medien: Hören Sie auf, bestehende Probleme zu migrantisieren!

Am Mittwoch veröffentlichte die „Bild“-Zeitung einen Artikel mit Zitaten des CDU-Generalsekretärs Carsten Linnemann, in dem er einen Stopp der Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts forderte. Er begründet diese Forderung damit, dass eine raschere Einbürgerung nicht gegen den aktuell sichtbar gewordenen Antisemitismus helfe, sondern falsche Signale sende.

Die Türkische Gemeinde in Deutschland (TGD) kritisiert diesen jüngsten Versuch der Opposition, die Problematik des aufflammenden Antisemitismus im Kontext des Nahostkonflikts mit der Reform des Staatsbürgerschaftsrecht zu verknüpfen, scharf. Sie mahnt einen Ton in der Debatte an, der die Gesellschaft nicht weiter spaltet.

Gökay Sofoğlu, Bundesvorsitzender der TGD, erklärt: „Diese beiden Themen zu verknüpfen und damit Generalverdacht gegen Menschen mit Migrationsgeschichte bzw. muslimisch geprägten Menschen zu begründen ist politisch, ethisch und fachlich äußerst fragwürdig. Es muss möglich sein, sich solidarisch mit unseren jüdischen Mitbürger*innen zu zeigen, ohne dabei andere Gruppen pauschal abzuwerten. Die Sicherheit jüdischer Menschen in Deutschland zu garantieren ist jetzt wichtig. Antimuslimische Ressentiments anzuheizen wird dabei nicht helfen. Auch in der Opposition tragen Politiker Verantwortung. Wir brauchen jetzt besonnene Politiker*innen, die einen und nicht spalten. Mir fehlt Angela Merkel in dieser Situation, das muss ich sagen.“

Aslıhan Yeşilkaya-Yurtbay, Bundesvorsitzende der TGD, ergänzt: „Die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts ist längst überfällig, auch als Akt der Wertschätzung für die Leistung der Menschen mit Migrationsgeschichte, die schon seit Jahrzehnten Mitbürger*innen dieses Landes sind. Polemische Schnellschüsse vergiften das gesellschaftliche Klima. Nicht das neue Staatsangehörigkeitsgesetz ist das falsche Signal an Menschen mit Migrationsgeschichte, sondern das Signal von Herrn Linnemann, das lautet: Wir wollen nicht, dass ihr Teil unseres Landes werdet! 

 Es gibt in Deutschland ein Problem mit Antisemitismus, das steht außer Frage. Der Anschlag in Halle, der Wahlerfolg der Freien Wähler in Bayern sind genauso Ausdruck des Problems wie die Israelfeindlichkeit und der Antisemitismus in manchen Teilen der verschiedenen Migrantencommunities. So vielschichtig wie das Problem ist, so vielschichtig müssen aber auch die Lösungen sein!

Politiker*innen sollten endlich aufhören, bestehende Probleme zu migrantisieren und damit anfangen, sie zu lösen. Auf der einen Seite an politischer Bildung sparen und dann die Probleme auf einen angeblich importierten Antisemitismus zu schieben, also pauschal auf muslimische Menschen, das hinterlässt eine große Wut bei vielen jungen Menschen.“

Es ist wichtig, weiterhin zwischen der Kritik an der Politik der Regierung eines Staates und Antisemitismus zu differenzieren. Nicht jede Kritik ist mit Antisemitismus gleichzusetzen und es gilt die Meinungsfreiheit. Für Antisemitismus, Hass oder Gewaltaufrufe gilt das ganz klar nicht. Hier gilt das Strafrecht und muss konsequent angewendet werden.

Gökay Sofuoğlu, Bundesvorsitzender der TGD, stellt klar: „Es ist unerträglich, wenn jüdische Menschen in Deutschland Angst haben müssen. Ich appelliere an alle Menschen in unserer Gesellschaft, sich solidarisch zu zeigen: mit Menschen die angegriffen werden, mit jüdischen Menschen aber auch mit muslimisch gelesenen Menschen, die von schlimmen Anfeindungen in den letzten Tagen berichten. Politik und Medien ignorieren, was sie anrichten, wenn sie jetzt den Eindruck erwecken das Probleme mit Abschiebung oder der Verweigerung der Staatsbürgerschaft lösen ließen. Die Option, eine Einbürgerung wegen erkennbarer rassistischer oder verfassungsfeindlicher Haltungen zu verweigern ist im Gesetzesentwurf längst enthalten. Wer darüber hinaus Staatsbürgerschaft von der politischen Meinung abhängig macht, hat aus der Geschichte nichts gelernt.“