Mesut Özil und das Wolfstattoo
Ein neues Tattoo auf der Brust des ehemaligen deutschen Fußball-Nationalspielers Mesut Özil hat die nächste kontroverse Diskussion um seine Person ausgelöst. Es zeigt einen heulenden Wolf. Kritiker sehen bereits einen Beweis dafür, einen „Grauen Wolf“ identifiziert zu haben. Der Shitstorm hat nicht nur die Fußballwelt, sondern auch politische Kreise erreicht. Sie fordern Konsequenzen. Aber welche gibt es?
Die Hintergründe zu Mesut Özils Tattoo, das seit gestern in aller Munde ist, sind vielschichtig. Der ursprünglich aus Gelsenkirchen stammende Spieler hat türkische Wurzeln und stets eine enge Beziehung zu seinem türkischen Erbe betont. Zwar spricht Özil kein gutes Türkisch, sondern eher akzentuiert. Dennoch ist sein Lifestyle seit jeher als eher türkisch zu bewerten.
Das deutsch-türkische Supertalent im Spitzenfußball
Während seiner aktiven Karriere spielte der Offensivspieler in Deutschland für FC Schalke 04 und später für SV Werder Bremen. Danach ging er zu Real Madrid und Arsenal London. Özil war als kreativer Spielmacher ein fester Bestandteil der deutschen Nationalmannschaft, mit der er 2014 die Weltmeisterschaft gewann.
Den Wendepunkt in Özils Beziehung zu Deutschland markierte ein Treffen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan im Jahr 2018, kurz vor der Weltmeisterschaft in Russland.
Erdoğan traf Özil & Gündoğan: Özil ging, Gündoğan blieb beim DFB
Es wurde von einigen als politische Unterstützung für Erdoğan interpretiert und löste eine hitzige Debatte in Deutschland aus. Özil fühlte sich von Medien und Verband im Stich gelassen und kritisierte den DFB öffentlich für den Umgang mit der Situation.
Nach dem von der gesamten Mannschaft erschreckend schwachen Turnier wurde Özil schnell als Sündenbock ausgemacht. Er trat aus der Nationalmannschaft zurück und schrieb einen offenen Brief, in dem er Rassismus und fehlende Wertschätzung gegenüber seiner türkischen Herkunft anprangerte. Danach begann Özil damit seine türkische Seite in den Vordergrund zu stellen. Etwa mit dem Tragen einer Kette mit Sichelmond und Stern. Er polarisiert – und scheint sich in der Rolle zu gefallen.
Wolfstattoo von Özil: Ein merkwürdiger Zeitpunkt
Das jetzt bekannt gewordene Wolfstattoo mit den drei Halbmonden als Symbol der Grauen Wölfe von Mesut Özil kann nicht isoliert betrachtet werden. Es muss in Verbindung mit den vergangenen Kontroversen und der Frage nach seiner politischen Einstellung gesehen werden. Dennoch stellt sich die Frage, warum jetzt? Weshalb haben wir Özil nicht schon vor Jahren mit einem solchen Tattoo gesehen?
Schließlich sind die Grauen Wölfe eine rechtsextreme türkisch-nationalistische Bewegung. In Deutschland gelten sie als dezidiert verfassungsfeindlich. In der Türkei führt die Doktrin der Grauen Wölfe zu Rassismus, auch wenn viele ihrer Anhänger das nicht wahrhaben wollen oder ignorieren. Die Befürchtung der Özil-Kritiker: das Tattoo zeigt nicht nur Sympathie, sondern aktive Zugehörigkeit zu dieser Ideologie.
Özil liebt Präsident Erdoğan – den neuen Anführer aller Grauen Wölfe
Als ehemaliger Nationalspieler, prominente Figur im deutschen Sport und Integrationspreisträger (!) ist Özil eine Person des öffentlichen Lebens, die eine gewisse Vorbildfunktion hat. Kritiker argumentieren, dass seine Handlungen und Aussagen, ob bewusst oder unbewusst, eine große Wirkung auf seine Fans und die Gesellschaft insgesamt haben können.
Ob Özil mit seinen Handlungen oder einem Wolfstattoo nun die Mitgliederzahlen bei der zugehörigen Partei MHP erhöhen wird, ist zu bezweifeln. Seine Follower aus Deutschland würden nun eher in Erwägung ziehen, sich stärker hinter Erdoğan zu positionieren. Das tun sie in Deutschland ohnehin.
Wolf auf der Brust als Beweis ausreichend?
Zur Wahrheit gehört auch, dass sowohl Angela Merkel (CDU) als auch Olaf Scholz (SPD) eher keine Probleme mit Erdoğan und der Türkei unter ihm hatten bzw. haben. Die wirtschaftlichen Beziehungen beider Länder sind unverändert gut. Warum also schon wieder dieses Özil-Bashing?
Zudem bleibt es sinnvoll zu hinterfragen, ob das Tattoo allein ausreicht, um Özil als Sympathisanten der Grauen Wölfe zu brandmarken. Eine Mitgliedschaft bei den Grauen Wölfen oder eine sonstige organische Verbindung zu dieser Ideologie wird man nicht belastbar aufführen können.
In der Türkei rechtsextrem, in Deutschland AfD
Der sich zunehmend ausschließlich als Türke identifizierende Mesut Özil führt in der Türkei ein luxuriöses Leben. Die Fußballlehre in Deutschland und das professionelle Mentoring im System des DFB haben Özil erst diesen Reichtum möglich gemacht. Allein Talent reicht nicht, das zeigen viele andere Beispiele vor und nach ihm.
Politisch müsste Özil vor einem Dilemma stehen: Erdoğan aktiv zu unterstützen, die Koalition aus AKP-MHP zu wählen und einen Wolf auf die Brust tätowieren zu lassen sollte bei einer möglichen Wahl in Deutschland das Resultat mit sich bringen, sein Kreuz bei der AfD zu setzen, die ähnlich völkisch, nationalistisch und rechts auftritt. Vielleicht wählt der neue Graue Wolf aber in Deutschland gar nicht mehr. Wer weiß. Den Pass hat er ja noch. In den sozialen Medien wollen viele User, ob er ihn abgeben wird.
Was dürfen öffentliche Personen, was sollten sie vermeiden?
Insgesamt verdeutlicht der Fall Mesut Özil und sein Tattoo die Komplexität der Debatte um öffentliche Personen und ihre politischen Einstellungen. Es bleibt abzuwarten, wie der DFB, die deutschen Behörden und der Ex-Fußballer auf die Forderungen nach einer Stellungnahme reagieren werden und inwiefern sich die Diskussion weiterentwickeln wird.
Letztendlich wird diese Kontroverse erneut auch die breitere Frage aufwerfen, wie der Sport mit politischen Themen umgehen sollte, womit Deutschland schon bei der Katar-WM so seine Probleme hatte, und welche Verantwortung prominente Sportpersönlichkeiten in der heutigen Zeit tragen.