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Diyanet - die profitable Religionsbehörde
Die höchste Religionsbehörde der Türkei macht mit verschiedenen Geschäften Millionenumsätze. Nun plant sie den Abriss einer historischen Brauerei. Kritiker fragen sich: Ist so viel Profit noch islamisch?
Bomonti war die erste professionelle Brauerei im Osmanischen Reich. Sie liegt im Istanbuler Stadtteil Sisli, mitten im Zentrum der Bosporusmetropole. Nun wurde das historische Bauwerk dem Büro des Bezirksmuftis übergeben. Es soll bald abgerissen werden, damit auf dem Gelände eine Moschee und ein Wohnheim entstehen können. Doch es gibt starken Widerstand gegen das Bauvorhaben.
"Die Bomonti-Brauerei hat eine historische Bedeutung. Ein neues Bauprojekt, das den Charme unseres Bezirks zerstört und den Bauboom weiter ankurbelt, ist nicht gut für uns", sagt Bezirksbürgermeister Sisli Muammer Keskin der Deutschen Welle. Auch der Vorsitzende der türkischen Ingenieurs- und Architektenkammer, Akif Burak Atlar, ist ein Gegner der Neubauten. "Die Bomonti-Brauerei wurde seit Jahren vernachlässigt. Nicht der Abriss, sondern die Restaurierung der Brauerei sollte diskutiert werden."
"Diyanet Holding" - wie reich ist die Behörde wirklich?
Die umstrittenen Bauten auf dem Gelände der historischen Brauerei sind nur ein Beispiel für die zunehmende Geschäftstüchtigkeit der höchsten Religionsbehörde der Türkei. Die staatliche Einrichtung Diyanet, die über 107.000 Mitarbeiter beschäftigt, leitet hunderte ähnlicher Projekte im In- und Ausland. Kritiker warnen, dass die Religionsbehörde bald nicht mehr von einer riesigen Holding zu unterscheiden sei - "Diyanet Holding" lautet bereits ihr sarkastischer Beiname.
Nach Angaben ihrer Webseite beläuft sich der Haushalt der Religionsbehörde auf umgerechnet 825 Millionen Euro - eine Summe, die das Budget der meisten Ministerien weit übersteigt. Das türkische Statistikinstitut TÜIK geht von einem noch höheren Betrag aus: Der Haushalt im Jahr 2019 belaufe sich auf über das Doppelte, nämlich ungefähr 1,7 Milliarden Euro. Außerdem besitzt die Behörde zahlreiche Immobilien, genau 2017, so Behördenleiter Ali Erbas.
Eine noch höhere Rechnung macht der Schriftsteller Ömer Saglam auf. Die Diyanet, so hat er ermittelt, nehme alleine durch die Pilgerfahrten Haddsch und Umra, durch Schlachtungen zum Opferfest und durch einige verdeckte Investitionen hohe Summen ein. Die Diyanet ist zum Beispiel auf der ganzen Welt bei rund 450.000 Schlachtungen involviert. Dabei spenden Bürger der Behörde Geld, damit diese im Namen der Spender Tieren schlachten lassen und das Fleisch an arme Menschen verteilt. Allein dadurch kämen bereits Einnahmen von 52,4 Millionen Euro zusammen, so Saglam. "Das müsste insgesamt viel mehr Geld einbringen als angegeben. Leider habe ich bei meinen Recherchen festgestellt, dass die Ausgaben und Einnahmen nicht ordnungsgemäß erfasst werden. Die Diyanet ist weitgehend unkontrolliert."
Undurchsichtige Strukturen
Das Konstrukt der Diyanet ist vielschichtig und undurchsichtig. In 145 Ländern bietet die Behörde Bildungs-, Kultur und Wohltätigkeitsaktivitäten an. Besonders ihre Stiftung Türkiye Diyanet Vakfi betreibt zahlreiche Geschäfte. Sie wurde 1975 als kleine Wohltätigkeitsorganisation gegründet und wuchs bis heute zu einer Stiftung mit rund 1000 Filialen in der ganzen Türkei. Sie wirtschaftet besonders profitabel, weil sie 1977 von allen Steuern befreit wurde. Zudem mischt sie durch ihre Tochtergesellschaft Komas A.S. in der Baubranche mit. Hunderte religiöse Wohnheime und Schulen, Moscheen, Krankenhäuser und Hotels hat das Unternehmen seit 1983 errichtet.
"Wie ein Staat im Staat"
"Die Diyanet tritt heute wie eine gigantische Holding auf - oder noch schlimmer: wie ein Staat im Staat. Sie sollte aber nicht wie eine Wirtschaftsmacht auftreten", meint der Theologe Cemil Kilic. Er fordert, dass sich die Religionsbehörde wieder auf ihren Grundauftrag zurückbesinnt. "Die Diyanet wurde gegründet, um der Öffentlichkeit die Wahrheiten und die islamische Religion nahezubringen, ihr ein Verständnis von Gerechtigkeit und Tugend zu vermitteln." Doch nun sei die Diyanet nichts weiter als eine Clique, die von der Bevölkerung abgehoben agiere. "Die Institution wurde ursprünglich etabliert, um den Armen zu dienen und nicht zur Selbstbereicherung. Dies widerspricht der Logik des Islams."