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Saka, Rashford und Sancho: Wieder England, wieder Rassismus

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 Dpa- dtj-online

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13.07.2021

 

 beleidigenden Schriftzug auf dem Wandbild von Manchester United-Stürmer und England-Spieler Marcus Rashford an der Wand des Coffee House Cafe in der Copson Street, Withington, befestigt wurden. Das Wandbild wurde am Morgen nach der Niederlage der englischen Fußballmannschaft zerstört. Mit Empörung und Entsetzen haben Politik, Fußballverband und Gesellschaft in Großbritannien auf rassistische Beleidigungen gegen die englischen Elfmeter-Fehlschützen im EM-Finale reagiert. Foto: Martin Rickett/PA Wire/dpa

Tausende feiern im Wembley-Stadion während des Finales friedlich. Doch es gibt auch die andere Seite. Vor und in der Arena wird randaliert, es gibt etliche Festnahmen. Und wieder hat der englische Fußball mit Rassismus zu kämpfen.

Die Spuren des Chaos einer unrühmlichen englischen Fußball-Nacht waren nicht zu übersehen. Vor dem Wembley-Stadion bot sich den letzten Enttäuschten auf dem Weg nach Hause ein Meer aus kaputten Bierdosen und sonstigem Abfall, auch um den Trafalgar Square und Piccadilly Circus türmte sich in der Nacht der Müll. Die Londoner Polizei meldete am Montag knapp zwei Dutzend verletze Beamte, der englische Verband FA verurteilte, dass Fans versucht hatten, das Finalstadion zu stürmen – und die niedergeschlagenen Spieler in den Sozialen Medien rassistisch beleidigt wurden.

Prinz William: „Abscheulich“

Prinz William sprach am Montag von inakzeptablem und „abscheulichem Verhalten“. „Es muss jetzt aufhören, und alle Beteiligten sollten zur Rechenschaft gezogen werden“, twitterte der Queen-Enkel. Die rassistischen Kommentare würden ihn „krank“ machen. Beim 2:3 im Elfmeterschießen gegen Italien hatten Bukayo Saka (19) als letzter Schütze und vor ihm Jadon Sancho (21) und Marcus Rashford (23) verschossen.

„Wir könnten nicht deutlicher machen, dass jeder, der hinter solch widerlichem Verhalten steckt, als Anhänger unseres Teams nicht willkommen ist“, teilte die FA mit, der Prinz William vorsteht. „Wir werden tun, was wir können, um die betroffenen Spieler zu unterstützen und drängen zugleich auf die härtest möglichen Strafen für jeden, der verantwortlich ist.“ Die Londoner Polizei kündigte Ermittlungen an.

Die englischen Spieler waren vor allen ihren EM-Spielen auf ein Knie gegangen, um ein Zeichen gegen Rassismus und Ausgrenzung zu setzen. Der britische Regierungschef Boris Johnson und seine Innenministerin Priti Patel hatten durchaus Verständnis für Menschen gezeigt, die ihren Unmut über die Geste äußerten. Nach dem Finale twitterte Johnson: „Die Verantwortlichen für diese entsetzlichen Beschimpfungen sollten sich schämen.“

Rashford, der bei Manchester United spielt, hatte in der abgelaufenen Saison mehrfach rassistische Beleidigungen gegen ihn öffentlich gemacht. Auch Sadio Mané vom FC Liverpool und der englische Nationalspieler Jude Bellingham von Borussia Dortmund waren betroffen. „Was zur Hölle denken sich diese Menschen?!“, sagte am Montag Ex-Nationalspieler Alan Shearer bei der BBC. „Was stimmt mit ihnen nicht?! Das ist so lächerlich, absolut ekelhaft.“ Die Diskussion wird hängen bleiben von diesem EM-Finale – ebenso die Bilder stark betrunkener und ausfällig gewordener Fans. Rashford erklärte, Kritik an seiner Leistung sei okay, er werde sich aber niemals dafür entschuldigen, wer er sei und wo er herkomme.

Hässliche Szenen

Zwar hatten rund um das Finale Zehntausende friedlich gefeiert. In den Straßen rund um das von Neubauten umgebene Wembley-Stadion wurden immer wieder die Turnierhits „Football’s coming home“ und „Southgate You’re The One“ gesungen. Einigen Engländern stieg der Finaleinzug der Three Lions aber sichtbar zu Kopf. Abgesehen von der fast zu erwartenden Randale auch in der Innenstadt war es an den Sicherheitszäunen des Stadions zu hässlichen Szenen gekommen.

Dutzende hatten versucht, ohne Tickets Zutritt zu erlangen. Die FA schrieb von „einer Gruppe von Menschen“, Videos in den Sozialen Medien zeigten teils chaotische Szenen im dichten Gedränge. Berichten aus dem Stadion zufolge besetzten etliche Menschen ohne Tickets Plätze der eigentlichen Karteninhaber. Mehrere Hundert Fans waren ohne Aussicht auf den Zutritt zum Stadion gefahren, die Polizei sperrte im Laufe des Spiels ab.

„Das ist völlig inakzeptabel“, teilte der Verband mit, der ankündigte, gemeinsam mit den Behörden gegen jeden vorzugehen, „der illegal in das Stadion eingedrungen ist“. Die Polizei teilte mit, dass in London 86 Menschen wegen einer Vielzahl von Straftaten festgenommen worden seien, davon 53 in Wembley. Corona-Verstöße gehörten wohl kaum dazu. 19 Londoner Polizisten wurden demnach verletzt. Landesweit wurden Hunderte Randalierer festgenommen.

Delta-Variante breitet sich aus

Nachdem Johnson angekündigt hatte, am 19. Juli das Land komplett zu öffnen, hielten sich schon am Sonntag und in der Nacht zum Montag nur die wenigsten Fans an Masken- und Abstandsregeln. Es bleibt zu befürchten, dass auch in London vermehrt Virusinfektionen in Zusammenhang mit der EM festgestellt werden. In Großbritannien steigen die Zahlen insbesondere wegen der als ansteckender geltenden Delta-Variante.

Die Beamten dankten zugleich den friedlichen Fans. Unmittelbar nach dem Spiel hatte die Polizei versucht, Menschenansammlungen vor dem Stadion aufzulösen. Es flogen Bierflaschen. „Diese Leute sind eine Peinlichkeit für die englische Mannschaft und alle wahren Fans, die eines der wichtigsten Spiele unserer Geschichte genießen wollten“, twitterte die FA, die sich gemeinsam mit den weiteren britischen sowie dem irischen Verband um die Ausrichtung der Weltmeisterschaft 2030 bewerben will. Gute Werbung waren die Videos und Bilder von Sonntagabend nicht.

dpa/dtj