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EU-Asylstatistik: Viel weniger Syrer beantragen Asyl in der EU

                   Artikel von Thomas Gutschker / Faz

 

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                                                     EU-Asylstatistik: Viel weniger Syrer beantragen Asyl in der EU © dpa

Seit 2013 haben Syrer die meisten Asylanträge in der Europäischen Union gestellt. Auch 2024 war das wieder so, wie aus dem Jahresbericht der EU-Asylagentur (EAA) hervorgeht, der am Donnerstag veröffentlicht wurde. Etwa jeder siebte Antragsteller stammte aus dem Land, insgesamt waren es knapp 151.000 Anträge. Immerhin waren das schon 30.000 weniger als im Vorjahr.

Die Monatsberichte der Agentur deuten für dieses Jahr auf einen noch größeren Wandel hin. So stellten Syrer im März 2025 nur noch 3300 Anträge – fünf Mal weniger als noch fünf Monate zuvor. Sie fielen damit auf den fünften Platz der Herkunftsländer zurück. Mit unmittelbaren Folgen für Deutschland: Es war erstmals seit langem nicht mehr das Land mit den meisten Asylanträgen.

Einen solchen Abriss hat die EAA seit den abrupten Grenzschließungen zu Beginn der Coronavirus-Pandemie nicht mehr gemessen. Er sei auch nicht „auf Änderungen der Asylpolitik in der EU zurückzuführen“, schreibt sie in ihrer Analyse. Zwar hätten viele Staaten mit dem politischen Umbruch in Syrien Entscheidungen über Asylanträge ausgesetzt, doch spiegele der Rückgang die neuen politischen Umstände im Land wider. Anfang Dezember war das diktatorische Assad-Regime von einer Rebellenoffensive gestürzt worden, die von der radikalen Islamistenallianz „Hayat Tahrir al-Scham“ angeführt wurde. Seitdem wird Syrien von einer islamistisch dominierten Führung regiert.

„Da die neuen Behörden sich für Stabilität und Wiederaufbau einsetzen, sind viele vertriebene Syrer offenbar hoffnungsvoller geworden, in ihre Heimat zurückzukehren, um ihre Gemeinden wieder aufzubauen, was sie weniger geneigt macht, in der EU Asyl zu beantragen“, so die EAA

Erstanträge sinken in Deutschland überdurchschnittlich

Der Rückgang schlägt sich besonders stark in Deutschland nieder, weil jeder zweite Syrer dort um Asyl nachsucht. Im Vorjahr entfiel knapp ein Drittel aller Erstanträge auf diese Gruppe. Im März 2025 sank die Zahl der Anträge dann plötzlich auf 11.000, 42 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Dagegen verzeichnete Spanien 14.000 Anträge, Frankreich und Italien jeweils 13.000 – weshalb Deutschland auf den vierten Platz fiel.

Ob sich diese Trends fortsetzen, bleibt abzuwarten. Das Asylgeschehen entwickelt sich dynamisch – und hängt nun auch davon ab, inwiefern es den neuen Machthabern in Syrien gelingt, das Land politisch und wirtschaftlich zu stabilisieren. Bei einer positiven Entwicklung ist durchaus denkbar, dass künftig mehr Syrer in ihre Heimat zurückkehren, als Syrer sie verlassen.

Bei den Zahlen für 2024 fällt ins Auge, dass der Rückgang von Erstanträgen in Deutschland höher war als im EU-Durchschnitt. In der gesamten EU sank die Zahl der Anträge um elf Prozent auf etwas mehr als eine Million. Dagegen ging sie in Deutschland um 29 Prozent zurück: von 334.000 auf 237.000 Anträge. Das lag am Rückgang von Antragstellern aus Syrien, Afghanistan und der Türkei – den drei größten Gruppen. Nach Deutschland folgten in der Länderstatistik Spanien (166.000 Anträge), Italien und Frankreich (je 159.000 Anträge).

Diese Veränderungen erklären sich, wenn man die Herkunftsländer der Antragsteller ins Auge fasst. Auf Syrien folgte wieder Afghanistan, diesmal mit 87.000 Anträgen, was jedoch einem Rückgang um fast ein Viertel entsprach. Die Türkei fiel auf den vierten Platz. Statt 101.0000 Anträgen waren es nur noch 56.000, der größte relative Rückgang von allen Staaten. Gestiegen sind dagegen Anträge aus Venezuela, das mit 74.000 auf Platz drei lag, und aus Kolumbien, das mit 52.000 auf Platz fünf kam. Venezolaner und Kolumbianer beantragen fast ausschließlich in Spanien Schutz. Sie können, wie andere Südamerikaner auch, ohne Visum legal in die EU einreisen und dann einen Asylantrag stellen. Insgesamt entfiel rund ein Viertel aller Asylanträge auf Menschen, die kein Visum für den Schengenraum benötigen.

Die Aussicht, Schutz zu erhalten, unterscheidet sich freilich stark nach Herkunftsland. Am größten war die Anerkennungsrate im EU-Durchschnitt 2024 wieder für Palästinenser (91 Prozent), Syrer (90 Prozent), Malier (84 Prozent) und Eritreer (82 Prozent). Afghanen lagen bei 63 Prozent, Iraker bei 31 Prozent.

Interessant ist vor allem, welche Staaten deutlich unter 20 Prozent lagen: etwa Venezuela, Kolumbien, Bangladesch, Tunesien, Marokko und Pakistan. Allein auf diese sechs Länder entfielen 136.000 Entscheidungen. Wenn die EU-Asylreform Mitte 2026 in Kraft tritt, müssen Antragsteller aus Ländern mit geringer Anerkennungsrate das neue Schnellverfahren an der Außengrenze durchlaufen, während dessen sie interniert werden können.

Ukrainer genießen in der EU einen besonderen, aber zeitlich begrenzten Aufenthaltsstatus. Das wurde von 4,4 Millionen Menschen wahrgenommen, davon 1,2 Millionen in Deutschland und eine Million in Polen. Darüber hinaus stellten 27.000 Ukrainer einen Asylantrag, fast doppelt so viele wie 2023. Ihre Anerkennungsquote lag bei 80 Prozent.