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Asylzurückweisung rechtswidrig: Gericht stoppt härteren Asylkurs der Regierung

                   Artikel von Von Markus Balser/ S.Z.

 

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Bundespolizisten bei der Einreisekontrolle, Mitte Mai am deutsch-polnischen Grenzübergang Stadtbrücke zwischen Frankfurt (Oder) und Słubice. © Patrick Pleul/DPA

Schlappe für Innenminister Alexander Dobrindt: Bundespolizisten dürfen Asylsuchende nicht einfach hinter der Grenze zurückweisen.

Gericht stoppt härteren Asylkurs der Regierung

Die Bundesregierung erleidet mit ihrem härteren Migrationskurs eine herbe Niederlage vor Gericht. Nach einer Eilentscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts sind die Zurückweisungen von Asylsuchenden bei Grenzkontrollen auf deutschem Boden rechtswidrig. Ohne eine eingehende Prüfung könnten Geflüchtete nicht abgewiesen werden, entschied das Gericht im Fall dreier Somalier, die am 9. Mai von Frankfurt an der Oder aus nach Polen zurückgeschickt wurden.

Damit schiebt das Gericht einem zentralen Element des Kurswechsels an der Grenze, den Innenminister Alexander Dobrindt verfolgt, erst mal einen Riegel vor. Der CSU-Politiker hatte schon wenige Stunden nach seinem Amtsantritt Anfang Mai verstärkte Grenzkontrollen angekündigt und mehrere Tausend zusätzliche Beamte an die Grenze beordert. Gleichzeitig ordnete er an, dass auch Asylsuchende an der Grenze zurückgewiesen werden können. Dies galt bislang als rechtlich ausgeschlossen. Eine gegenteilige Weisung seines Vorgängers Thomas de Maizière aus dem Jahr 2015 habe er zurückgenommen, sagte Dobrindt vor knapp vier Wochen. Es gehe der Regierung darum, in Europa klarzumachen, dass sich die deutsche Politik geändert habe.

Das geltende Recht schreibt eine eingehende Prüfung des Schutzanspruchs vor

Kanzler Friedrich Merz (CDU) hatte es zum zentralen Wahlkampfversprechen seiner Regierung erklärt, die verschärften Kontrollen „vom ersten Tag“ an durchzuführen. Ziel sei es, Migranten auch in Asylfällen zurückzuweisen.

Das bundesweit erste Gerichtsurteil zum umstrittenen neuen Asylkurs macht nun jedoch klar, dass die neue schwarz-rote Bundesregierung wohl zu weit gegangen ist. Der konkrete Fall steht für viele an Deutschlands 3800 Kilometer langer Außengrenze. Die zwei Männer und eine Frau aus Somalia kamen mit dem Zug aus Polen nach Deutschland. Sie wurden am Bahnhof in Frankfurt von der Bundespolizei kontrolliert und trotz Asylgesuchs noch am selben Tag nach Polen zurückgewiesen. Von dort aus klagten die Geflüchteten. Die Bundespolizisten hatten die Entscheidung damit begründet, dass die Geflüchteten aus einem sicheren Drittstaat kamen. Allerdings schreibt das geltende Recht auch in solchen Fällen eigentlich eine eingehende und individuelle Prüfung des Schutzanspruchs vor.

Als brisant gilt, dass das Gericht auch die juristische Konstruktion Dobrindts verwirft, die das Vorgehen und seine Weisung eigentlich rechtfertigen sollten. Die Bundesrepublik könne sich nicht auf eine „nationale Notlage“, eine Art Ausnahmezustand, berufen, hieß es. Dies habe die Regierung im Verfahren jedoch getan, sagte eine Gerichtssprecherin. Dafür aber fehle es „an der hinreichenden Darlegung einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung“. Auch Fachleute hatten bezweifelt, dass der Kniff über die Notlage klappt. Denn die Zahlen der Asylgesuche sind rückläufig. Das Gericht traf bislang allerdings nur eine Entscheidung im Eilverfahren.  Eine eingehende Prüfung der komplizierten Rechtslage steht noch aus. Der Eilbeschluss ist aber nach Gerichtsangaben unanfechtbar.

Deutschland muss aber nicht zwangsläufig die Einreise der Geflüchteten ermöglichen

Die Entscheidung bedeutet allerdings nicht, dass Migranten in jedem Fall nach Deutschland kommen dürfen, wenn sie Asyl beantragen. Denn das Gericht machte auch deutlich, dass die sogenannten Dublin-Verfahren an der Grenze oder im grenznahen Bereich durchgeführt werden können. Deutschland müsste also nicht zwangsläufig die Einreise der Geflüchteten ermöglichen. Damit zeigt das Gericht der Bundesregierung auch eine mögliche Alternative zu ihrem Vorgehen auf.

Die Opposition forderte am Montag umgehend Konsequenzen des Bundeskanzlers. „Der Beschluss entlarvt Dobrindts Symbolpolitik als das, was es ist: ein offener Rechtsbruch“, sagt der Grünen-Innenpolitiker Marcel Emmerich der Süddeutschen Zeitung.  „Was als Stärke verkauft wird, ist ein gefährlicher Blindflug auf dem Rücken von Schutzsuchenden, Einsatzkräften und der Idee eines geeinten Europas.“ Schutzsuchende hätten ein Recht auf rechtsstaatliche Verfahren. Friedrich Merz müsse „die Grenzblockaden umgehend beenden, Klarheit schaffen und rechtswidrige Zurückweisungen sofort stoppen.“ Der Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP) fordert, „dass keinerlei Konsequenzen und rechtliche Schritte“ an den Kolleginnen und Kollegen hängen bleiben dürften. Die Beamten hätten „klar nach Weisungslage des Bundesministers des Inneren gehandelt“, sagt Andreas Roßkopf der SZ.

Die Schlappe vor Gericht könnte auch innerhalb der Regierungskoalition neue Debatten auslösen. Im Koalitionsvertrag hatte die Union zwar gegen Widerstände in der SPD durchgesetzt, Menschen an den Grenzen zurückzuweisen, auch wenn sie um Asyl ersuchen, um die irreguläre Migration zu reduzieren. Das aber soll auf Druck der SPD nur in Abstimmung mit den Nachbarländern geschehen können. Aus Ländern wie Polen oder Tschechien kam zuletzt jedoch offene Kritik.