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Kriminalität von Flüchtlingen"Die jungen Kerle sind das Problem"

Flüchtlinge begehen laut einer Studie mehr Gewalttaten als Einheimische. Der Kriminologe Christian Pfeiffer nennt im Interview die Gründe und erklärt, wie sich die Kriminalität reduzieren ließe.

n-tv.de: Sie haben für das Bundesfamilienministerium den Einfluss der Zuwanderung auf die Entwicklung von Gewalttaten in Niedersachsen zwischen 2014 und 2016 untersucht. Was haben Sie herausgefunden?

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Christian Pfeiffer, Co-Autor der Studie.(Foto: picture alliance / dpa)

Christian Pfeiffer: Es ist besorgniserregend. Wir mussten feststellen, dass in Niedersachsen nach sieben Jahren stabilen Rückgangs der Gewaltkriminalität um insgesamt 21 Prozent zwischen 2014 und 2017 plötzlich wieder ein Anstieg um 10,4 Prozent passiert ist. Der ist über 90 Prozent den Flüchtlingen zuzurechnen.

Flüchtlinge begehen also häufiger Straftaten als Deutsche?

Ja. Doch gilt dies nur eingeschränkt.

Warum?

Erstens: Fremde Gewalttäter werden generell häufiger angezeigt als einheimische. Durch einen Fremden, der die Sprache nicht spricht, fühlen Menschen sich viel stärker bedroht und sehen mehr Anlass, die Hilfe der Polizei in Anspruch zu nehmen. Das ist weltweit so. Zweitens: Zwischen den verschiedenen Flüchtlingen gibt es riesige Unterschiede. Flüchtlinge aus Syrien oder dem Irak machen uns weniger Sorgen. Die Kriegsflüchtlinge sind zwar 54 Prozent der Menschen, die in Niedersachsen angekommen sind. Unter den identifizierten Tätern bei Raubdelikten machen sie unter allen Flüchtlingen aber nur 16 Prozent aus. Dagegen kommen zwar nur 0,9 Prozent der Flüchtlinge in Niedersachsen aus Nordafrika, aber sie stellen 31 Prozent der tatverdächtigen Räuber.

Wie erklären Sie sich das?

Die eine Gruppe hat von uns eine Chance bekommen, in Deutschland bleiben zu dürfen. Sie wollen das auf keinen Fall gefährden, mit den Menschen hier gut klarkommen und die Leistungen unseres Sozialstaats in Anspruch nehmen.

Sie haben Ihre Untersuchung in Niedersachsen durchgeführt. Ist das Ergebnis überhaupt auf ganz Deutschland übertragbar?

Die Niedersachsen hören es ja nicht gerne. Aber die Daten belegen es: Niedersachsen ist ein Durchschnittsland im Hinblick auf die sozialen Faktoren, die für Kriminalität relevant sind, wie etwa die Arbeitslosigkeit, die Armut, die Migration. Deshalb sind die Erkenntnisse, die wir hier gewonnen haben, durchaus in großen Teilen auf die Bundesrepublik übertragbar.

Christian Pfeiffer

Der Kriminologe Christian Pfeiffer war zwischen 1988 und 2000 sowie zwischen 2003 und 2015 Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen. Dazwischen war niedersächsischer Justizminister. Pfeiffer ist 73 Jahre alt und SPD-Mitglied.

Was ist Ihnen noch aufgefallen?

Unter Flüchtlingen aus Nordafrika ist jeder zweite 14 bis 30 Jahre alt und männlich. Das ist in jedem Land der Welt immer der gefährlichste Teil. Bei uns in Deutschland gehörten 2014 nur neun Prozent der Bevölkerung zu dieser Gruppe, aber sie waren für die Hälfte aller Gewalttaten zuständig. Die jungen Kerle sind das Problem.

Sind Nordafrikaner häufiger kriminell, weil sie eine schlechte Bleibeperspektive haben oder liegen die Gründe in ihrer Herkunft?

Das Letztere garantiert nicht. Nordafrika produziert keine bösen Menschen, aber hungrige, von Armut gezeichnete und chancenlose, die sich auf den Weg nach Deutschland gemacht haben. Weil wir nicht alle Flüchtlinge aufnehmen können, haben wir zwangsläufig Verlierer in dem Prozess.

Die mangelnde Perspektive treibt die Menschen in die Kriminalität?

Eindeutig ja. Das hat man schon in der Kölner Silvesternacht 2015/2016 gesehen. Damals zerrissen die Nordafrikaner ihre Asylformulare vor den Augen der Polizisten, weil sie so deprimiert waren, dass sich ihre Hoffnungen nicht erfüllen. Wir hatten in der Vergangenheit schon häufiger starke Zuwanderung von Aussiedlern. Die waren am Anfang oft hochproblematisch: Machos, gewalttätig, schwer zu integrieren. Bei jungen Türken und Jugoslawen war es ähnlich. Heute sind die alle befriedet, die Gewaltraten drastisch rückläufig. Woher das kommt? Weil die Menschen integriert werden konnten, weil sie in der Bildung mächtig zugelegt haben und bei uns in der Gesellschaft angekommen sind. Deshalb bin ich auch optimistisch, was die Kriegsflüchtlinge angeht.

Was kann man machen, um die Kriminalität bestimmter Einwanderungsgruppen zu reduzieren?

Die Regierung hat sich bemüht, einen Teil der Probleme durch Ausweisung aufzufangen. Das gelingt oft nicht, weil viele Herkunftsländer sich weigern, die Menschen zurückzunehmen. Das ist aber dringend nötig angesichts von 327.000 Menschen, denen wir letztes Jahr den Asylzugang verwehrt haben. Wir brauchen ein riesiges freiwilliges Rückkehrprogramm. Wir müssen den Flüchtlingen während ihrer Zeit in Deutschland Sprachkurse und Praktika anbieten und den Herkunftsländern Angebote machen. Die brauchen Mittel, um attraktive Arbeitsmarktintegrationsprojekte aufzubauen. Die Entwicklungshilfe muss viel höher sein als bisher. Eine der wichtigsten Aufgaben der neuen Bundesregierung wird darin bestehen, erheblich mehr Geld in die Hand zu nehmen, um die Herkunftsländer zu motivieren.

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Ein gutes Timing für die Veröffentlichung Ihrer Studie. Am Wochenende beginnen die Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD. Was für einen Ratschlag würden Sie der neuen Bundesregierung beim Streitthema Familiennachzug geben?

Aus kriminologischer Sicht ist die Lage klar. Je höher der Anteil der Frauen unter den Flüchtlingen ist, desto weniger gewalttätig sind die Männer. Frauen haben einen Befriedungseffekt und zivilisieren. Sie machen aus aufgeregten problematischen Männern friedliche und angepasste Männer. Das muss die Politik abwägen.

Mit Christian Pfeiffer sprach Christian Rothenberg

Quelle: n-tv.de