MLKP-Prozess in der Türkei: Meşale Tolu nach über vier Jahren freigesprochen
Seit gut vier Jahren verhandelte ein türkisches Gericht den Fall der deutschen Journalistin Meşale Tolu. Nun ist die Ulmerin freigesprochen worden. Die Kritik an der Justiz in der Türkei verstummt damit nicht.
Die deutsche Journalistin Meşale Tolu ist in der Türkei freigesprochen worden. „Nach 4 Jahren, 8 Monaten und 20 Tagen: Freispruch in beiden Anklagepunkten!“, twitterte Tolu am Montag nach der Urteilsverkündung. Auch ihr Ehemann Suat Çorlu, der im gleichen Prozess angeklagt war, wurde freigesprochen. Tolu und Çorlu nahmen nicht an der Verhandlung teil. Sie sind bereits 2018 und 2019 nach Deutschland zurückgekehrt.
Die Staatsanwaltschaft hatte der Ende 30-Jährigen, ihrem Ehemann und 21 weiteren Angeklagten in der ursprünglichen Anklage unter anderem Mitgliedschaft in der linksextremen Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei (MLKP) sowie Terrorpropaganda vorgeworfen. Die MLKP gilt in der Türkei als Terrororganisation.
Keine ausreichenden Beweise
Später forderte die Staatsanwaltschaft dann aber auch Freispruch für Tolu von allen Anklagepunkten. Laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu sah das Gericht nun keine ausreichenden Beweise für die Vorwürfe gegen Tolu, Çorlu und 17 weitere Angeklagte. Gegen vier Angeklagte wurden Haftstrafen verhängt, etwa wegen Terrorpropaganda.
Christian Mihr von der Organisation Reporter ohne Grenzen kritisierte den Prozess bei Twitter als „weiteres Willkürverfahren“ und einen „Beweis für die Nicht-Rechtsstaatlichkeit in der Türkei“. „Dieses Verfahren hätte nie stattfinden dürfen.“
„Willkür und Einschüchterung“
Der Bundestagsabgeordnete Max Lucks, Obmann für die Grünen im Ausschuss für Menschenrechte, war zur Prozessbeobachtung angereist. „Dieser Prozess hat gezeigt, wie Menschenrechte mit Füßen getreten werden und wie groß die Angst der türkischen Regierung gegenüber einer freien und kritischen Zivilgesellschaft ist“, sagte Lucks laut Pressemitteilung.
„Der heutige Freispruch im Prozess gegen Meşale Tolu und ihren Mann Suat Çorlu ist eine große Erleichterung. Das gesamte Verfahren war von Willkür und Einschüchterung geprägt“, schrieb die FDP-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, Renata Alt. Die Lage der Medien- und Pressefreiheit in der Türkei müsse kontinuierlich angemahnt werden.
Etliche Vertagungen
Die in Ulm geborene und aufgewachsene kurdischstämmige Journalistin und Übersetzerin hatte in Istanbul für die linke Nachrichtenagentur Etha gearbeitet. Die Anti-Terror-Polizei nahm sie Ende April 2017 in Istanbul fest. Der darauffolgende Prozess wurde etliche Male vertagt.
Tolu saß zudem mehr als sieben Monate und zeitweise gemeinsam mit ihrem Kind in türkischer Untersuchungshaft. Erst Monate nach ihrer Entlassung wurde auch die Ausreisesperre gegen sie